Eine Haushaltssitzung der besonderen Art ereignete sich am Dienstag, 25. Februar 2020, im Schaumburger Kreistag. Durch Austritt des verdienten Kreistagsabgeordneten Horst Sassenberg aus der CDU-Fraktion verlor die CDU einen Sitz. Sassenberg war bis dato 14 Jahre lang stellvertretender Landrat. Sassenberg dankte fast allen Fraktionen, einschließlich der AfD, für die gute Zusammenarbeit in den letzten Jahren, allerdings nicht seiner EX-Fraktion, der CDU. In der Folge mussten die Vorsitze in den Ausschüssen neu verteilt werden und die CDU um den letzten Ausschuss mit der AfD losen. Die AfD gewann durch Los und hat nun den Vorsitz im wichtigen Finanzausschuss. Doch den Vogel schossen SPD und CDU dann mit den Haushaltsreden ihrer Fraktionsvorsitzenden, Eckhart Ilsemann (SPD) und Axel Wohlgemuth (CDU) sowie einem weiteren Beitrag des Ex-Fraktionsvorsitzenden der CDU, Gunter Feuerbach ab. Ilsemann, der die erste Haushaltsrede hielt, beglückwünschte erst einmal den frisch gebackenen CDU-Fraktionsvorsitzenden Wohlgemuth und wies ausdrücklich auf die seit Jahren gute Zusammenarbeit mit der CDU und ihrem Fraktionsvorsitzenden hin. Diese sei so eng gewesen, dass häufig ein Blickkontakt zwischen ihm und Gunter Feuerbach im Kreistag genügt habe. Das müsse erst noch wachsen. Wobei dieser Blick früher vom ganz linken Platz der ersten Reihe in der Sitzordnung (SPD) zum ganz rechten Platz (CDU) gegangen sei und es schade sei, dass da jetzt nicht mehr die CDU sitze. Es sitzt dort nämlich heute die AfD. Axel Wohlgemuth gab dann später in seiner Haushaltsrede den Ball zurück und ließ keinen Zweifel an dem, was alle wissen, aber nicht sagen. Nämlich, dass SPD und CDU im Schaumburger Kreistag seit Jahren eine inoffizielle de-facto-Koalition haben, innerhalb der man sich stets schnell über alles Wesentliche einig ist.
So wundert es wenig, dass sich sowohl Ilsemann als auch Wohlgemuth darin verstiegen, die AfD, für die stellvertretend natürlich die anwesenden örtlichen AfD-Kreistagsabgeordneten stehen, für den Anschlag in Hanau (Ilsemann und Wohlgemuth) und sogar den im hessischen Volkmarsen (Ilsemann) an den Pranger zu stellen. Ein Akt unglaublicher Diskriminierung, die es bis dahin wohl im Schaumburger Kreistag nicht gegeben hat. Während Ilsemann etwas ausführlicher auf Rassismus und Gewalt gegen Migranten einging und dabei eindeutig in Richtung AfD zielte, beließ es Wohlgemuth bei einer einleitenden Bemerkung zu seiner Haushaltsrede, die er damit eröffnete, dass er es vor dem Hintergrund der Ereignisse in Hanau ebenfalls bedaure, nicht am rechten Ende der Sitzordnung zu sitzen. Nicht so der Ex-Fraktionsvorsitzende der CDU, Gunter Feuerbach. Der hatte einen Beitrag dazu vorbereitet, was die AfD für eine schlimme Partei sei und sich dazu mehrfach auf Zitate von Björn Höcke bezogen, mit dem er die gesamte AfD offenbar gleichsetzt. Aus diesem Grunde werde man mit der AfD im Kreistag nicht zusammenarbeiten. Der Beitrag fand offenbar auch das Wohlwollen der auf dem Podium sitzenden Vertreter der Kreisverwaltung, die das Ganze mehrheitlich ungeniert beklatschte.
Warum haben die sich zu einem solchen, offenbar abgesprochenen und öffentlichkeitswirksamen Vorstoß gegen die AfD hinreißen lassen?
Zum einen ging es hier wohl um eine allgemeine Tabuisierung der AfD, wohl schon im Angesicht der im nächsten Jahr kommenden Kreistagswahlen. Da möchte man vom vermeintlich auf Landes- und Bundesebene so erfolgreichen Märchen vom AfD-Nazi, der an allen Anschlägen Schuld ist, in die man irgendwie eine rechtsextreme Gesinnung hineininterpretieren kann, wohl auch auf Kreisebene etwas profitieren. Wie dumm das ist, zeigte ein Beitrag der Kreistagsabgeordneten Christa Hardt (AFD), die selbst jüdische Vorfahren hat, die im Konzentrationslager ermordet wurden und sich trotzdem, wie auch andere Juden, in der AfD engagiert.
Zum anderen ging es um einen Antrag der AfD, einen freiwilligen Zuschuss des Landkreises für Flüchtlingssozialhilfe an die AWO in Höhe von 1,18 Millionen Euro aus dem Haushalt herauszunehmen und die von der AWO erbrachten Leistungen auszuschreiben. Dieser Zuschuss ist aus AfD-Sicht in der eingestellten Höhe, und zwar vor dem Hintergrund im vergangenen Jahr deutlich gesunkener Neuzugänge an Flüchtlingen, nicht mehr zu rechtfertigen. Die AfD wollte die Höhe des Zuschusses im Ausschuss diskutieren und kritisierte die automatische Einstellung in den Haushalt durch die Verwaltung. Ein völlig demokratischer Vorgang. Warum dieser die Meute, und in diesem Moment habe ich die Beifall klatschende Menge meiner Kollegen im Kreistag so empfunden, dann so aufgebracht hat, dass man die Kreistagssitzung zu einer Generalabrechnung mit der AfD hat werden lassen, entzieht sich meinem Verständnis.
Persönlich war diese Kreistagssitzung für jemanden wie mich, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, Menschen zu helfen, soziale Verantwortung zu tragen und der sicherlich nicht irgendwelche Gewaltphantasien in sich trägt, eine Zäsur. Eine Zäsur, die mir gezeigt hat, dass wir es selbst auf unserer kommunalen politischen Ebene mit Menschen zu tun haben, die stets so tun, als würden sie sich gegen Diskriminierung wenden, niemanden ausgrenzen wollen und alle integrieren wollen. Schlimm, wenn sich das dann, wenn es um Teile des eigenen Volkes geht, die sich der Einheitsmeinung nicht in allen Punkten anschließen mögen, nur als Lippenbekenntnis herausstellt. Dieser Tag hat mir die Augen geöffnet. Darüber, mit was für Leuten ich es mitunter in diesem Kreistag zu tun habe, was ich von diesen erwarten kann und was unser Land von diesen erwarten kann. Die Prognose ist düster. Und doch heißt es, Haltung zu bewahren und sich dem Sturm der Einheitsfront entgegenzustellen. Dafür sind wir gewählt worden und das haben wir heute als AfD gezeigt. Unsere Fraktionsvorsitzende, Margot Zedlitz, genauso wie Christa Hardt und ich.
Ich habe es mir nicht nehmen lassen, in einem emotionalen Beitrag darauf hinzuweisen, dass der Anschlag von Hanau die Tat eines geistesgestörten Wahnsinnigen war, der bereits seit seiner Kindheit Stimmen gehört hat und der dann 9 Mitbürger, seine Mutter und sich selbst umgebracht hat. Und dass es unglaublich ist, das mit der AfD in Verbindung zu bringen. Ich verwehre mich als gestandenes Mitglied dieser Gesellschaft dagegen, Mordanschläge in anderen Bundesländern oder wo auch immer auf der Welt für kommunalpolitische Zwecke zu instrumentalisieren und mich von politischen Gegnern im Grunde hinstellen zu lassen, als hätte ich in Hanau die Finger mit am Abzug gehabt oder in Volkmarsen mit am Steuer gesessen. Wobei für den Anschlag in Volkmarsen bis heute nicht einmal ein politischer, rassistischer oder extremistischer Hintergrund belegt ist und es mich als Vater zweier wunderbarer, freundlicher, weltoffener und nicht politisch indoktrinierter Kinder besonders schmerzt, in solchen Kontext gebracht zu werden. Hier will man billige Effekthascherei zu Lasten des politischen Gegners betreiben und maximalen Schaden anrichten. Das ist schäbig, das ist ehrlos und das zeigt, wie dünn die Haut bei diesen Leuten inzwischen geworden ist.
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