Pflegekammer-Wahnsinn sofort stoppen!

Niedersachsen. Kurz vor dem Jahreswechsel trauten viele Beschäftigte in Pflegeberufen ihren Augen nicht. Sie alle bekamen einen Beitragsbescheid der neu gegründeten Pflegekammer und wurden damit auch über ihre Zwangsmitgliedschaft in dieser Institution informiert. Der Jahresbeitrag wurde erst einmal für alle Beschäftigten auf Basis eines angenommenen Jahreseinkommens von 70.000 Euro festgelegt und beträgt 280 Euro. Selbst Auszubildende in Pflegeberufen erhielten einen Bescheid über diesen Höchstbeitrag. Um den Beitrag reduzieren zu können, müssen in Pflegeberufen Beschäftigte nun selbst aktiv werden und ihre Einkommensverhältnisse gegenüber der Pflegekammer offenlegen, etwa per Verdienstbescheinigung oder Steuerbescheid. Unter Androhung eines Zwangsgeldes von 2.500 Euro, falls das nicht geschieht. Zu den Beiträgen kommen übrigens noch Kosten für künftige Pflichtfortbildungen. Beschäftigte in Pflegeberufen sind zu Recht sauer. Viele fragen sich auch, wie es denn eigentlich mit den Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung vereinbar ist, dass die Pflegekammer an die notwendigen Personaldaten gelangt ist.

Ob die für diese Beitragsbescheide Verantwortlichen tatsächlich geeignet sind, um die Interessen der Beschäftigten in Pflegeberufen zu vertreten, kann angesichts der völlig realitätsfernen Beitragserhebung getrost bezweifelt werden. 90 Prozent der in Pflegeberufen Beschäftigten verdienen keine 70.000 Euro im Jahr. Im Durchschnitt verdienen sie kaum die Hälfte davon.

Hier ist das Kind gehörig in den Brunnen gefallen. Ich sage ganz klar: Die Beschäftigten in Pflegeberufen brauchen keine Pflegekammer als Interessenvertretung. Die ganz große Mehrheit der in Pflegeberufen Beschäftigten sind abhängig Beschäftigte. Deren Interessen werden üblicherweise von Gewerkschaften vertreten und nicht von Kammern.

Vergleiche mit Kammern anderer Berufe, etwa Architektenkammern, Rechtsanwaltskammern, Apothekerkammern oder Ärzte- und Zahnärztekammern, sind vollkommen unangebracht. Das sind Interessenvertretungen freier Berufe, die von den aktiven Angehörigen dieser Berufsstände, oftmals Arbeitgebern, getragen werden! Dort sind Architekten, Rechtsanwälte, Apotheker und Ärzte Mitglied, nicht ihre Angestellten und Fachangestellten.

Wenn man schon eine Pflegekammer schaffen will, die es bisher übrigens nur in Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen gibt, dann wäre das eine Sache der Betreiber von Pflegeeinrichtungen und nicht eine Sache ihrer Angestellten. Was gar nicht geht ist, Angestellte in Pflegeberufen zu einer Pflichtmitgliedschaft zu verdonnern. Die Errichtung einer Pflegekammer in Niedersachsen geht übrigens auf Anträge der SPD und der Grünen im niedersächsischen Landtag zurück und wurde 2016 gegen die Stimmen von CDU und FDP beschlossen (https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Neue-Pflegekammer-Verbaende-laufen-Sturm,pflegekammer106.html). Geschaffen wurde ein Apparat zur Versorgung von Funktionären mit Posten und Pöstchen, der angesichts der 80.000 niedersächsischen Beschäftigten in Pflegeberufen über ein üppiges Jahresbudget in Höhe vieler Millionen Euro verfügen dürfte. Geld, das man den Beschäftigten in Pflegeberufen wegnimmt.

Den Fehler Pflegekammer sollte man schleunigst korrigieren! (jw)

Halbzeit

Von Dr. Jens Wilharm

Es mutet ein wenig an wie ein Sommerloch, das man unbedingt mit einem Thema füllen musste. Aber der 31. Dezember, Silvester, ist ja nicht Sommer, sondern mitten im Winter. Dennoch scheint es da zumindest in Bezug auf die lokale Berichterstattung über die Kreispolitik eine gewisse Parallele zu geben. Die beiden Schaumburger Lokalzeitungen haben sich nämlich zum Jahreswechsel 2018/2019 auf einer halben Zeitungsseite damit befasst, wie sich denn die Arbeit der AfD im Schaumburger Kreistag nach zweieinhalb Jahren, also nach etwa einer halben Amtsperiode, darstellt. „Kaum Ideen, aber auch kein Krawall“, lautete die Schlagzeile. So als erwarte man von AfD-Mitgliedern in Parlamenten Krawall. Die Grundlage der Recherche zu diesem Bericht, die wohl nicht zu sehr in die Tiefe gehen sollte, war offenbar eine Befragung der Fraktionsvorsitzenden aller anderen im Kreistag vertretenen Fraktionen, aber nicht der AfD selbst. Das Ganze angereichert um in der jüngsten Kreistagssitzung gewonnene Eindrücke und Inhalte einzelner Protokolle vergangener Sitzungen. Was 5 AfD-Mitglieder im Kreistag Schaumburg in zahllosen Ausschuss-Sitzungen und Kreistags-Sitzungen gesagt, gefragt und natürlich auch kritisch angemerkt haben, spielte für die Bewertung ihrer Arbeit, und darum sollte es ja wohl gehen, offenbar keine Rolle. Das Fazit besteht darin, dass die AfD überwiegend im Mainstream mitschwimme, der von den großen Parteien SPD und CDU vorgegeben wird und kaum eigene Ideen gezeigt habe. Der Fraktionsvorsitzende der CDU wird damit zitiert, die AfD habe eine „Nullnummer hingelegt.“ Gezielte Provokationen, so die Feststellung der Zeitung, habe es aber nicht gegeben.

Nun, man stelle sich einmal vor, die gleichen Zeitungen würden die AfD nach ihrer Einschätzung befragen, wie sich denn die anderen Fraktionen im Kreistag in den letzten zweieinhalb Jahren so gemacht haben. Sie müssten wohl zu der ähnlich langweiligen Beurteilung gelangen, dass diese mehr oder weniger kritiklos dem Mainstream gefolgt seien, der von ihren Mutterparteien in Land und Bund vorgegeben wird.      

Klimaschutz, Klimawandel, Energiewende, Elektromobilität, Flüchtlinge, Integration, Inklusion und Gender-Mainstreaming sind die alles beherrschenden Themen unserer Zeit. Das ist auch im Schaumburger Kreistag nicht anders. Der Umgang mit diesen Themen mag für Einzelne eine ideologisch motivierte Überzeugungstat sein, zeichnet aber vermutlich mehrheitlich den modernen Mitläufer aus. Das ist bequem, damit eckt man nicht an und damit ist man immer auf der richtigen Seite. Auf einer Seite mit den eigenen Parteien, egal ob sie nun SPD, CDU, Grüne oder FDP heißen. Und auf einer Seite mit der lokalen Presse, auf deren stets positive Berichterstattung zu diesen Themen man sich in der Regel verlassen kann. Auf einer Seite mit dem Mainstream. Dass das Mitlaufen mit dem Mainstream nicht unbedingt vernünftig und richtig und gut für die Zukunft sein muss, haben gerade wir Deutsche in unserer Geschichte mehrfach schmerzlich erfahren müssen.

Eine Eigenprüfung der Informationslage zu den genannten Themen auf ihren Wahrheitsgehalt, ihre Plausibilität oder ihre ökonomische Vernunft findet praktisch kaum noch statt. Es gibt Wahrheiten, die schon fast den Status göttlicher Weisheit erlangt haben und die man nicht zu hinterfragen hat. Geht es also um diese Themen, dann wird beantragt, debattiert und beschlossen, aber niemals die grundsätzliche Richtigkeit in Frage gestellt.

Eine kleine Gruppe von bis zu 5 Kreistagsabgeordneten, die diesem Mainstream in vielen Punkten nicht folgen will und gerade deshalb nicht Mitglied einer Mainstream-Partei ist, sondern einer Partei, die das Wort Alternative in ihrem Namen trägt, hat es da nicht leicht. Für sie ist ihre Zeit im Kreistag mitunter eine Gratwanderung zwischen ihrem politischen Auftrag in Form ihres vom Mainstream abweichenden Parteiprogramms, des mutmaßlichen Wählerwillens und ihrer eigenen, zum Teil vom Mainstream abweichenden, Meinung auf der einen Seite und dem Risiko, gesellschaftliche Akzeptanz und öffentliche Reputation zu gefährden, auf der anderen Seite.

Nun ist es so, dass die politische Richtung zu den oben genannten Themen größtenteils auf Landes- oder Bundesebene vorgegeben wird. Viele, beileibe nicht alle, Entscheidungen, die im Kreistag dazu getroffen werden, sind Pflichtaufgaben. In anderen Fällen handelt es sich um die Umsetzung von Beschlüssen oder die Fortführung von langfristigen Projekten aus zurückliegenden Amtsperioden des Kreistages. Wenn es beispielsweise darum geht, eine Gleichstellungsbeauftragte einzustellen, Flüchtlinge unterzubringen oder eine neue Integrierte Gesamtschule zu errichten, dann geht es allenfalls um die Personalie, um die Form der Unterbringung oder um den Standort und die Bauform der Schule, aber nicht um die grundsätzliche Frage, ob man Gleichstellungsbeauftragte benötigt, Flüchtlinge aufnehmen will oder die Abschaffung von Hauptschule, Realschule und demnächst auch der Oberschule zugunsten einer Integrierten Gesamtschule befürwortet. Die Grundsatz-Entscheidung für das neue Klinikum Schaumburg auf der grünen Wiese war auch schon lange vor der aktuellen Amtsperiode gefallen, eine Umkehr aus wirtschaftlichen Gründen ausgeschlossen.

Die Beschlüsse, denen wir in solchen Fällen zugestimmt haben, waren in der bereits eingetretenen und nicht mehr umkehrbaren oder in ihrem Grundsatz nicht auf Kreisebene zu entscheidenden Situation, jederzeit vernünftig. Das bedeutet nicht, dass die AfD-Mitglieder im Kreistag im Mainstream geschwommen sind. Und der Mainstream ist auch nicht immer falsch, nur weil es der Mainstream ist. Unser Anliegen ist nicht blinder Protest, sondern vernünftige und möglichst unideologische Auseinandersetzung mit der Thematik.

Da, wo es Handlungsspielraum gibt und wo es um freiwillige Leistungen des Landkreises geht, mit denen die oben genannten Themenkreise quasi als Zugabe bedient werden, haben wir unseren Finger durchaus in die Wunde gelegt und ganz klar nein gesagt. Beispielsweise wenn es darum ging, der AWO trotz sinkender Zahlen neu ankommender Flüchtlinge auch weiterhin einen Zuschuss von 1 Million Euro zur Flüchtlingssozialhilfe zu gewähren.

Ein Stück weit habe ich im Kreistag den Eindruck gewonnen, dass die wichtigen Entscheidungen von der Verwaltung und den Fraktionsspitzen der großen Parteien vorbereitet werden, wozu es ja auch den Verwaltungsausschuss gibt, und es dann im Kreistag wenig überraschende und meist auch wenig spannende Entscheidungen gibt. Das öffentliche Interesse daran geht gegen Null. Zuschauer sind selten zugegen und wenn, dann sind es nicht viele. Die Lokalpresse berichtet die Inhalte bruchstückhaft und oft mehr als unzureichend, jedoch immer im Sinne des Mainstreams und der positiven Darstellung der oben genannten Themen. Und gerne auch mit einem tendenziösen Schuss, wenn es um die AfD geht.

Zu den zentralen Aufgaben des Landkreises gehört in jedem Jahr die Beschlussfassung über den Haushaltsplan, die auch jetzt gerade wieder bevorsteht. Ich muss gestehen, dass ich auch nach zweieinhalb Jahren nicht in der Lage bin, diesen so zu nutzen, wie ich mir das vorstelle. Ich stelle mir vor und wünsche mir, dass jeder normale Bürger, der über ein Grundverständnis der Buchführung verfügt, in der Lage sein sollte, den Haushaltsplan des Landkreises zu lesen und zu verstehen. Kurzum, sich jederzeit problemlos über alle Ausgaben und Einnahmen des Landkreises selbständig informieren zu können. Und zwar ohne eine klärende Anfrage bei der Verwaltung stellen zu müssen. Leider verbirgt sich der Kreishaushalt jedoch in einem dicken Buch mit sieben Siegeln. Die einzig wirklich informativen Worte finden sich im umfangreichen Vorwort und zudem werden die Kernpunkte des Haushalts jeder Fraktion in einer Sitzung erklärt. Was jedoch fehlt, sind die Details. Viele Ausgaben verbergen sich zusammengefasst in sogenannten Produkten und es ist nicht möglich, sie ohne Anfrage herauszufiltern. Transparenz geht anders und man fragt sich, ob das wirklich nur der Komplexität geschuldet ist.

Einzig dafür „lobend“ erwähnt zu werden, keinen Krawall gemacht zu haben, kann nicht das Ziel einer Partei sein. Dass sich die AfD im Schaumburger Kreistag aufgrund ihrer Fraktionsumbildungen seit der Konstituierung des Kreistages im Oktober 2016 (übrigens nicht vier, sondern zwei) nicht als Einheit präsentiert hat, was dann Umbildungen der Ausschüsse zur Folge hatte, ist nicht gut und auch nicht professionell. Aber dennoch sind die 5 in den Kreistag gewählten Mitglieder der AfD alle noch dabei, alle noch Mitglied der AfD und in der Sache sehr wohl einig. Die dritte Umbildung der AfD im Schaumburger Kreistag steht für 2019 zwar derzeit nicht auf dem Plan, aber die 5er-Fraktion wäre eine logische Konsequenz des eben Gesagten und ich wäre der Letzte, der dem entgegenstehen würde. Der „AfD-Silvesterknaller“ der Schaumburger Lokalzeitungen kann dazu eigentlich nur Ansporn sein. Ein weiteres „Unterhaltungsprogramm“ der AfD, als welches der Kollege Sasse von der WGS die bisherigen beiden Fraktionsumbildungen sah, ist jedenfalls nicht auszuschließen und wenn es uns gefällt, machen wir das auch noch in mehreren Episoden. Es soll ja für die armen Kollegen nicht langweilig werden mit uns (Ironie off). Fraktionsumbildungen sind übrigens in Parlamenten gang und gäbe, allein durch das Ausscheiden von Mandatsträgern und die Neubesetzung solcher freigewordenen Mandate.

Der „Silvesterknaller“ ist verpufft. In der Glaskugel lesen kann ich nicht. Die AfD hat für 2019 nach wie vor 5 Abgeordnete im Schaumburger Kreistag, die genau zuhören und hinschauen werden, fragen, mitarbeiten und ihre Meinung sagen werden, egal ob unter dem Dach derselben Fraktion oder in einer anderen Konstellation.