Es klingt wie das neueste Hirngespinst linksliberaler Denkfabriken. Pünktlich zum Weihnachtsfest kommen Funk, Fernsehen und Printmedien bundesweit mit einer „Top-Meldung“, die selbst in der Lokalpresse die Titelseiten dominiert: „Muslime sollen künftig in Deutschland Moscheesteuer zahlen.“ Analog der Kirchensteuer, die Christen hierzulande direkt von Lohn oder Gehalt abgezogen wird, sofern sie einer der großen Kirchen angehören. Je nach Bundesland sind das zumeist 8 oder 9% der Lohn- bzw. Einkommenssteuer.
Schon allein der Zeitpunkt dieser Meldung wirft Fragen auf. Muss man mit einer solch hochgehypten Meldung mitten in das Weihnachtsfest platzen? Nicht für jeden den inneren Weihnachtsfrieden suchenden Christen mag es eine frohe Botschaft sein, auch zu Weihnachten davon zu lesen, wie sich der Islam in Deutschland immer weiter etablieren soll. Kann man es denn nicht einmal wenigstens zu Weihnachten, einem Fest der Christen, sein lassen, die noch geneigten Zuschauer, Hörer und Leser der omnipräsenten Multikulti-Gendergaga-Gehirnwäsche zu unterziehen? Kann man das nicht wenigstens mal für 3 Tage abstellen? Kann man Christen, und die meisten Gläubigen im Land sind derzeit noch Christen, und die übrige nicht-muslimische Bevölkerung nicht wenigstens zu Weihnachten einmal damit in Ruhe lassen, wie man Muslime integrieren, gleichstellen und den Islam in jeder Beziehung auf Augenhöhe mit dem Christentum stellen will, bis hin zur Kirchensteuer? Nicht, dass man darüber nicht sprechen kann und sollte, aber warum ausgerechnet zu Weihnachten? Kann man nicht wenigstens zu Weihnachten einmal für ein paar kurze Tage diejenigen, die hier Ruhe und Besinnlichkeit suchen, vielleicht vergessen lassen, dass wir unsere Weihnachtsmärkte vor muslimischen Attentätern schützen müssen? Wer politisch verantwortlich handelt, dem sollte doch, selbst wenn er nicht christlichen Glaubens ist, in einem christlich geprägten Land das Weihnachtsfest heilig sein. Zumal wir es hier mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Nebelkerze zu tun haben, die man besser am 1. April angezündet hätte. Doch die linken und linksliberalen Medien scheinen zu der Auffassung gelangt zu sein, dass es gut für Deutschland sei, eine solche Weihnachtsbotschaft zu produzieren. Die offenbar ausging von der Idee der Gründerin einer Berliner Moschee mit dem Namen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, welche für einen liberalen Islam stehe. Sie lesen richtig, es geht um eine Frau, sogar eine Frauenrechtlerin, die eine Moschee gegründet hat, zu deren Namensgebern Johann Wolfgang von Goethe zählt, ein protestantischer Christ. Im Rahmen einer journalistischen Recherche, die offenbar darin bestand, einige Politiker der großen Koalition und Vertreter von Islamverbänden zu dieser Idee zu befragen, wurde diese zunächst wohl eher unmaßgebliche Meinung dann offenbar zur Top-Meldung gemacht. Vielen Dank auch.
Das Weihnachtsfest ist vorbei. Doch die Meldung ist nun im Land und man kann sich ruhig mal mit dem Vorschlag auseinandersetzen. Moscheesteuer für Muslime, so wie Kirchensteuer für Christen? Grundsätzlich muss man sich einmal überlegen, was das bedeuten würde. Für eine Steuererhebung müssten Moscheen nach derzeitigem Recht als Körperschaften öffentlichen Rechts anerkannt werden, wie die Kirchen. Das wäre die vollkommene Gleichstellung von Moscheen und Kirchen. Will man das? Die Einen mögen das wollen, denn es passt in deren Weltbild der Gleichmacherei. Die Anderen mögen das ablehnen. In beider Augen wäre es ein Meilenstein auf dem Weg zur Etablierung des Islam in Deutschland, der Fall der letzten Hürde. Etwas, das die Einen genauso verbissen anstreben wie es die Anderen ablehnen. Dieser Konflikt wird sich kurzfristig nicht auflösen lassen.
Doch wäre eine Moscheesteuer ein geeignetes Mittel, um noch mehr Gleichheit herzustellen als die, die, selbstverständlich und vom Grundgesetz garantiert, längst besteht? Und die für jegliche andere Glaubens- oder Religionsgemeinschaft, außer für die evangelische und katholische „Staatskirche“, in gleicher Weise gilt? Ist die Erhebung der Kirchensteuer durch den Staat ein Privileg, das die christlichen „Staatskirchen“ in Deutschland genießen und das auch für die Mitglieder einer anderen Religions- oder Glaubensgemeinschaft erstrebenswert ist? Ja, es ist ein Privileg, aber ein sehr fragwürdiges. Erstrebenswert ist es sicher nicht und zeitgemäß ist die Kirchensteuer schon lange nicht mehr. Es wäre an der Zeit, sie endlich für alle abzuschaffen und nicht über eine analoge Steuer für andere Religionsgemeinschaften zu diskutieren. Einen sehr passenden Beitrag zum Thema aus dem Jahre 2013 findet man übrigens hier in der ZEIT-Online: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-11/kirche-katholisch-evangelisch-staat-trennung/komplettansicht
Religion und Glauben zu vermitteln, wird heute immer noch als staatliche Aufgabe verstanden. Noch gibt es Religionsunterricht an den Schulen. Das wird sich nicht von heute auf morgen ändern. Soll es auch nicht. Doch ein Prozess, der von einem schrittweisen Rückzug des Staates aus der Wahrnehmung von Aufgaben der „Staatskirchen“ begleitet werden wird, ist längst in Gang gesetzt. Langfristig wird sich die religionspolitische Aufgabe eines modernen Staates dahin entwickeln, dass er nur noch Rahmenbedingungen für Religions- und Glaubensgemeinschaften vorgibt, überwacht und moderiert.
Es gibt eine neue, starke Konkurrenz für Glaubensgemeinschaften im klassischen Sinne, die sich kaum mehr aufhalten lässt. Die sozialen Medien und das Internet. Immer mehr Menschen, die vielleicht früher in Kirchen, Synagogen, Tempel oder Moscheen gingen, um Beistand und Rat bei der Bewältigung ihres Lebens durch die Gemeinschaft und durch Priester zu erlangen, finden ihre Vorbilder und Lebensweisheiten heute im Netz, in einer virtuellen Gemeinschaft, bequem von zu Hause aus. Das mag manchem heute noch wie ein düsteres und etwas weit hergeholtes Szenario erscheinen. Schließlich haben die meisten Blogger bislang nur ein sehr spezielles Angebot und bieten keine komplette Anleitung und Wegbegleitung für ein erfülltes Leben, von der Geburt bis zum Tode. Ich will das auch nicht gut heißen, aber ich denke, man wird es nicht aufhalten können. Auch die großen Glaubensgemeinschaften werden nicht umhin kommen, sich ebenfalls dort um „Follower“ zu bemühen. Und sie werden dort in Konkurrenz treten und nicht ein Alleinstellungmerkmal haben wie in vergangenen Jahrhunderten. Möglicherweise entsteht eines Tages eine Weltreligion, die verschiedene Elemente der großen Religionen unserer Zeit vereinigt. Möglicherweise gibt es bereits Kräfte, die an so etwas arbeiten. Möglicherweise werden aber auch immer mehr Menschen ein Leben führen, das nicht durch eine Religion bestimmt wird. Diese Entwicklung hat in christlich geprägten Ländern, wie der Bundesrepublik Deutschland, längst begonnen. Und sie wird auch vor islamisch geprägten Ländern, wie der Türkei, auf Dauer nicht Halt machen. Selbst wenn die aktuelle politische Entwicklung dort den Anschein macht, dass eher das Gegenteil der Fall sei. Die kommenden Generationen, die mit Computern und Internet groß werden und international vernetzt sein werden, werden auch in solchen Ländern dafür sorgen, dass die Staatsführung durch religiös geprägten Eliten irgendwann der Vergangenheit angehören wird. Man kann die Geschwindigkeit dieser Entwicklung vielleicht mit Macht, etwa durch Zensur und Propaganda, eine Zeit lang verlangsamen. Aber man kann sie nicht stoppen.
Die großen christlichen Glaubensgemeinschaften in Deutschland und Europa befinden sich längst mitten in dieser Entwicklung. In den letzten Jahren mussten Hunderte Kirchen wegen mangelnder Besucherzahlen schließen. Der Islam hinkt dieser Entwicklung viele Jahre hinterher, aber sie wird nicht genauso lange dauern wie bei den Christen, sondern viel schneller ablaufen. Und so mag die Schließung der ersten Moscheen in Deutschland wegen mangelnder Besucherzahlen heute schon sicher sein, da die letzten Moscheen noch längst nicht gebaut sind.
Man kann also eigentlich cool bleiben, wenn es um den Status der Glaubensgemeinschaften in Deutschland geht. Mit Blick auf die Zukunft dürfte ihre Bedeutung abnehmen und heute noch vorhandene Glaubenskonflikte mögen sich mit den Jahren immer mehr relativieren.
Die Zukunft liegt in der Entflechtung von Staat und Kirche, der Förderung von Unabhängigkeit und Selbstbestimmung der Glaubensgemeinschaften und der Freiwilligkeit, ihnen anzugehören und sie finanziell zu unterstützen.
Es ist eine gute Idee, inländische Glaubensgemeinschaften von Finanzierung und Interessen aus dem Ausland unabhängig zu machen. Moscheen sollten in Deutschland nicht beispielsweise aus Saudi-Arabien finanziert werden. Diese Unabhängigkeit durch eine Moscheesteuer erreichen zu wollen und damit auch der längst nicht mehr zeitgemäßen Kirchensteuer zu einer neuen Legitimation zu verhelfen, dürfte aber der falsche Weg sein. Moscheen können das sehr wohl selbst tun, wie auch die Freikirchen in Deutschland.
Die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee wurde übrigens erst Mitte 2017 gegründet, besitzt keinen eigenen Raum und nutzt ein Nebengebäude einer evangelischen Kirche. Daraus kann man entnehmen, wie relevant die von dort getätigten Äußerungen für die Muslime in Deutschland sein dürften. Derzeit sind es wohl Seifenblasen, gefüllt mit den nahezu utopisch anmutenden Träumen linksgrüner Politiker, die von einem liberalen Islam handeln, den es in der Realität bis jetzt nicht gibt. Aber ja, die man natürlich träumen darf. Ein liberaler Islam würde ohne Zweifel besser in dieses Land passen als ein traditioneller und mag somit durchaus erstrebenswert sein. Nur sollte man die Kirche, pardon, die Moschee im Dorf lassen und nicht eine Nachricht aus solcher Quelle zur Weihnachtsbotschaft hochhypen, so als wäre das ein ernstzunehmender Vorschlag im Bundestag vertretener Parteien oder maßgeblicher Vertreter islamischer Verbände.
Vielleicht sollte man es auch etwas mehr den Muslimen selbst überlassen, wie sie ihre Religion leben wollen. Solange sie sie so leben, dass nicht gegen landesübliche Sitten und Gebräuche unserer christlich geprägten Kultur verstoßen wird. Das war lange Zeit in Deutschland so. Ganz im Sinne der Roten Moschee im Schwetzinger Schlossgarten, die auf dem Bild zu diesem Beitrag abgebildet ist, bereits im 18. Jahrhundert erbaut wurde und, dem aufklärerischen Gesamtkonzept des Schlossgartens folgend, für Toleranz gegenüber allen Religionen und Kulturen der Welt stehen soll. Sicher, eine Liberalisierung des Islam wäre zu begrüßen, aber sie muss von innen kommen. Niemand benötigt eine „wohlmeinende“ Bevormundung durch traumtanzende Politiker. Alles hat seine Zeit, auch die Zeit für einen liberalen und „modernen“ Islam mag kommen. Womöglich schneller als gedacht. Fundamentalismus und dessen Folgen muss man bekämpfen. Da ist es mit jeder Toleranz vorbei. Vor 2015 war das in Deutschland kein erwähnenswertes Problem. Heute ist es ein Problem. Eines, das man aber kurzfristig nicht beheben kann, indem man von Moscheesteuern und einem liberalen Islam träumt, der von den Herkunftsländern abgekoppelt ist, sondern indem man konsequent handelt. (jw)