Von Dr. Jens Wilharm
Am 25. Und 26. März 2017 findet eine Neuwahl des Landesvorstandes der AfD Niedersachsen statt. Ich habe gegenüber dem Landesverband meine offizielle Bewerbung für ein Vorstandsamt erklärt.
Ich habe mich seit meinem Eintritt in die AfD im Spätsommer 2013 immer aktiv engagiert. Unter anderem als Kreisvorsitzender, stellvertretender Landesvorsitzender, Mitglied und stellvertretender Sprecher eines Landes- und eines Bundesfachausschusses sowie als Landesprogrammkoordinator.
Mein Engagement für die AfD fand ein vorläufiges Ende auf Raten. Das begann mit meinem Rücktritt als stellvertretender Landesvorsitzender im Januar 2016. Und es endete mit dem Rücktritt von allen noch verbliebenen Ämtern und Funktionen im Februar 2017, nach der Aufstellungsversammlung der AfD Niedersachsen für den Bundestag.
Warum dann jetzt eine Kandidatur für den Landesvorstand? Wie passt das zusammen? Die Voraussetzungen im Landesverband haben sich ja nicht über Nacht geändert. Ja, das stimmt. Darum steht meine Bewerbung auch unter dem Vorbehalt, dass die Ereignisse der letzten Monate zu Veränderungen führen, von denen die wesentlichste ein Wechsel des Landesvorsitzenden wäre. Sollte dieser Fall eintreten, dann bin ich gerne bereit, mich einzubringen.
Ich habe mich für diesen Fall nicht nur für das Amt des stellvertretenden Landesvorsitzenden beworben. Ich habe mich auch ganz klar um eine Funktion beworben. Selbst wenn diese nicht in Form eines Amtes zur Wahl steht. Nämlich um die des Landesprogrammkoordinators. In dieser Arbeit habe ich Erfahrung, sie macht mir Spaß und ich bin auch noch weit genug im Thema, um sofort wieder einsteigen zu können. Ich habe zuletzt im Dezember 2016 an einer Sitzung der Bundesprogrammkommission teilgenommen. Den Beitrag eines Bundesfachausschusses für das Bundeswahlprogramm habe ich mit erarbeitet und mit formuliert. Noch im Januar 2017 habe ich die bundesweite Online-Umfrage mit vorbereitet. Ich weiß, dass wir so schnell wie möglich ein Landeswahlprogramm für die Landtagswahl brauchen. Ich weiß, dass wir dafür ein gutes Team haben. Ich würde dieses Team gerne verstärken.
Wenn die AfD am 25. und 26. März die Weichen für einen Landesvorstand stellen sollte, der sie dahin führen möchte, dass sie für die bürgerliche Mitte erste Wahl ist und Mehrheiten generieren kann, dann wäre ich bei diesem Projekt sehr gerne dabei. Der Weg dahin ist weit und beschwerlich, zumal hier in Niedersachsen viel Zeit verschenkt und in Grabenkämpfe investiert wurde. Aber wenn man nicht jetzt anfängt, ihn zu beschreiten, dann wird das Ziel nicht erreicht werden.
Für diejenigen, die sich bereits vorab über Fragen informieren möchten, die durch meine Kandidatur aufgeworfen werden, gebe ich hier ausführliche Antworten:
Warum habe ich nach der niedersächsischen Kommunalwahl im September 2016 die AfD-Fraktion im Kreistag Schaumburg verlassen und, zusammen mit einem weiteren Parteifreund, eine zweite Fraktion gegründet? Wie kann es sein, dass es Abgeordnete derselben Partei so kurz nach einer Wahl nicht einmal schaffen, sich unter dem Dach einer Fraktion zusammenzufinden? Hat das nicht eine fatale Außenwirkung und ist das nicht parteischädigend?
Baden-Württemberger Verhältnisse in Schaumburg. Selbstverständlich entsteht dadurch erst einmal der Eindruck einer zerstrittenen Partei. Kein Mensch macht das einfach so. Wir sahen die Freiheit des Mandats gefährdet. Der Landesvorsitzende und der Kreisvorstand haben mit Erfolg versucht, die konstituierende Sitzung, aus unserer Sicht in verwerflicher Weise, nach ihren Wünschen zu beeinflussen. Diesem Diktat wollten wir uns als freie Abgeordnete nicht unterwerfen, denn wir mussten damit rechnen, dass die politischen Vorstände auch zukünftig versuchen würden, die Arbeit der Fraktion zu steuern. Darum haben wir uns als freie AfD-Abgeordnete, die weitgehend unabhängig von den politischen Vorständen sind, in einer neuen Fraktion zusammengefunden. Als freie AfD-Abgeordnete, die sich selbstverständlich dem Parteiprogramm der AfD verpflichtet fühlen. Ebenso den Bürgern, die uns gewählt haben. Die Außenwirkung im Kreis Schaumburg dürfte weit weniger fatal gewesen sein, als man es vermuten könnte. Denn dass es erhebliche Differenzen zwischen mir und dem Kreisvorstand gab, besonders im Hinblick auf den Umgang mit Themen und Personen, die dem rechten Rand nahestehen, war bereits Wochen vor der Kommunalwahl durch die lokalen Medien gegangen. Man könnte sagen, dass die Wähler hier in Schaumburg das wussten. Vielleicht sogar, dass mich manche gerade deshalb gewählt haben. Ich hatte die mit Abstand meisten persönlichen Stimmen der AfD-Kandidaten in Schaumburg und mit knapp 11,5 Prozent gab es auch ein hervorragendes Ergebnis in meinem Wahlbereich.
Heute höre ich, dass die Aufnahme neuer Mitglieder in den Kreisverband einer deutlich besseren Kontrolle unterliegen soll. Das ist gut. Und ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die beiden Fraktionen eines Tages wieder zusammenwachsen können.
Um ehrlich zu sein, denn ich finde das nicht verwerflich, gab es auch eine persönliche Ebene. Ich hatte die Kommunalwahl in Schaumburg als Wahlkampfkoordinator maßgeblich mit vorbereitet. Ich habe unser Wahlprogramm maßgeblich mit erstellt. Ich habe unseren Kreisverband mit gegründet. Ich war auf fast jedem Bundes- und Landesparteitag seit Mitte 2013. Ich habe meinen Kopf für die AfD hingehalten, obwohl ich als Selbständiger vor Ort in der Öffentlichkeit stehe und mir das auch wirtschaftlich geschadet hat. Und da kamen dann ein Kreisvorsitzender und eine Landesvorsitzender und haben mal eben dafür gesorgt, dass Jens Wilharm nicht Fraktionsvorsitzender werden durfte. Weil ich beide geärgert hatte.
Den Kreisvorsitzenden und Teile des Kreisvorstandes habe ich geärgert, indem ich mich öffentlich in der Lokalpresse von einem Schaumburger Kreistagskandidaten distanziert habe, auf dessen Facebook-Seite die Presse unglaubliche Inhalte entdeckt hatte. Die Presse hatte mich und den Kreisvorsitzenden mehrere Tage vor der Veröffentlichung mit etwa 30 Screenshots konfrontiert und dazu um Stellungnahme gebeten. Da gab es dann etwa einen Beitrag über eine Friedensrede von Adolf Hitler von 1939 und einen anderen Beitrag über das Abfackeln eines Wahlkampfbusses der CDU mit dem Zusatz, der Widerstand beginne nun endlich. Die Beiträge hatte der Kandidat nur geteilt und nicht selbst geschrieben. Deswegen fand der Kreisvorstand das nicht so schlimm, während ich der Meinung war, dass das nicht damit vereinbar sei, die AfD in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auch der Landesvorstand sah keinen Anlass, sich darum zu kümmern. Ich hatte versucht, den Landesvorsitzenden rechtzeitig vor der Presse-Veröffentlichung per Handy, per Festnetztelefon und per E-Mail zu kontaktieren. Keine Reaktion.
Den Landesvorsitzenden habe ich geärgert, indem ich über einem Landesparteitag, der eine Woche nach der Kommunalwahl 2016, aber vor der konstituierenden Sitzung der Kreistagsfraktion, stattfand, einen Beitrag auf der Webseite des Stadtverbandes Rinteln veröffentlicht habe. Auf den Beitrag wurden einige Journalisten aufmerksam und dann gab es ein paar Artikel in der überregionalen Presse. Den Original-Beitrag finden Sie übrigens HIER.
Besonders geärgert hat sich der Landesvorsitzende laut eigenem Bekunden über einen Artikel in der TAZ. Er habe kein Verständnis dafür, wie man mit unseren schlimmsten Gegnern über Parteiinterna reden könne. Mitglieder der AfD Niedersachsen, auch des Landesvorstandes und des Kreisvorstandes, meinen heute noch, ein Gespräch mit der TAZ sei ein absolutes No Go. Nun, der Landesvorsitzende höchstselbst hat genau dieser Zeitung ein Jahr zuvor ein ausführliches Interview gegeben. Das finden Sie HIER. Es kommt also nicht darauf an, mit welcher Zeitung man redet, sondern WER das macht. Ein Landesvorsitzender darf sogar mit der TAZ reden, aber andere dafür maßregeln, wenn sie das tun.
Die Rache folgte auf dem Fuße. Man sorgte dafür, dass ich in der Kreistagsfraktion „kalt gestellt“ wurde. Dass ich dann auf die Idee kommen würde, einfach diesen manipulierten Haufen zu verlassen, noch ein weiteres Mitglied mitgehen würde und wir einfach eine eigene Fraktion gründen, damit hatten sie nicht gerechnet. Für mich ist diese Fraktion jetzt so etwas wie eine Burg, in die hinein der Arm des derzeitigen Landesvorstandes und des Kreisvorstandes nicht reicht und aus der heraus ich ganz befreit politisch arbeiten kann. Man muss es nicht gut finden. Aber ich bin kein Masochist, der sich in unbedingtem Parteigehorsam alles gefallen lässt und darüber seine eigene Grundsätze verrät. Ich bin auch kein Parteisoldat, der nicht zu fragen, sondern zu funktionieren hat. Sondern ich bin jemand, der selbst denkt und der nicht schweigt, wenn er mit Sachverhalten konfrontiert ist, die mit den fundamentalen Ansprüchen, die wir als neue und alternative Partei haben, nicht vereinbar sind. Dazu gehört Rechtsstaatlichkeit. Dazu gehört, dass wir uns selbstverständlich stets im Rahmen der freiheitlich-demokratische Grundordnung und des Grundgesetzes zu bewegen haben. Dazu gehört die Ablehnung von Extremismus jeder Art.
Ich bin im Januar 2016 aus dem Landesvorstand zurückgetreten und habe im Februar 2017 alle Ämter und Funktionen in der AfD niedergelegt. Warum bewerbe ich mich dann jetzt für ein Amt im neuen Landesvorstand und warum sollten die Mitglieder glauben, dass nicht am Ende der nächste Rücktritt folgt?
Jeder dieser Rücktritte hängt unmittelbar oder mittelbar mit einer einzigen Person und ihrem Wirken in der AfD Niedersachsen zusammen, nämlich dem derzeitigen Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, Armin Paul Hampel. Das gilt auch für die Gründung einer zweiten AfD-Fraktion im Kreistag Schaumburg nach einer sehr erfolgreichen Kommunalwahl, in der ich im Landkreis Schaumburg mit 1129 Stimmen das beste persönliche Ergebnis und mit 11,42 Prozent auch ein hervorragendes Ergebnis in meinem Wahlbereich geholt habe. Nach einem solchen Ergebnis verlässt man nicht ohne Grund und auch nicht aus persönlicher Eitelkeit die Fraktion seiner Partei. Dazu kann man nur aus tiefer Verzweiflung über die innerparteiliche Entwicklung, auch und vor allem im Kreis- und im Landesvorstand, getrieben werden. Einer Entwicklung, die ohne das Wirken und teilweise auch fatale Nichtwirken des Landesvorsitzenden nicht möglich gewesen wäre.
Ich gehe davon aus, dass es viele gute Leute im Landesverband Niedersachsen gibt, mit denen eine gedeihliche Zusammenarbeit im Landesvorstand möglich wäre und die über genügend Weitsicht verfügen, um den Landesverband in sichere Gewässer zu steuern und ihm vor allem unter den 16 Landesverbänden ein eigenes Profil zu geben. Niemand tritt aus einem Vorstand zurück, der sich an die elementaren Grundsätze einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe hält und in dem es nicht Vorstandsmitglieder erster, zweiter und dritter Klasse gibt, die sich im zugestandenen Informationsstand unterscheiden.
Meine Kandidatur steht unter dem selbstverständlichen Vorbehalt, dass Paul Hampel nicht erneut zum Landesvorsitzenden gewählt wird. Bereits in meiner Rücktrittserklärung im Januar 2016 habe ich darauf hingewiesen, dass ich jederzeit wieder zu einer Mitarbeit im Landesvorstand bereit sei, wenn der Vorsitzende nicht mehr Paul Hampel heißt. Ich bin überzeugt, dass die gegnerischen Lager, die wir im Moment im Landesverband haben, sehr viel leichter wieder zusammenfinden können, wenn klar ist, dass Hampel nicht länger für die Geschicke des Landesverbandes verantwortlich zeichnet.
Warum habe ich mehrfach mit Journalisten über die AfD gesprochen? Sollten Interna nicht intern bleiben und sollte man nicht die „Lügenpresse“ besser außen vor lassen?
Ich glaube, dass regelmäßige Pressearbeit zu den Aufgaben von Parteivorständen und Mandatsträgern gehört. Es ist im Grundsatz nicht nur richtig, sondern sogar notwendig, mit der Presse zu reden, wenn man medial präsent sein will. Und das muss man sein, wenn man Wähler und Mitglieder dazugewinnen will. Kreisverbände, die eine unterdurchschnittliche Pressearbeit betreiben oder gar nicht mit der Presse reden, sondern vorwiegend über Internet und soziale Medien mit Interessenten kommunizieren, verzichten auf eine wichtige Chance, auf sich aufmerksam zu machen.
Ich finde es auch nicht zutreffend, die Presse pauschal als „Lügenpresse“ zu beschimpfen, auch wenn es natürlich immer wieder Beiträge gibt, die einseitig oder mit Vorurteilen behaftet zu sein scheinen. Die Fakten zu unterschlagen oder die Wahrheit zu verdrehen scheinen. Oder die einfach böse sind. Klar, alles das gibt es. Aber das ist nicht die Presse. Journalisten, die professionell arbeiten und sich ihrem Berufsethos als Journalist mehr als den persönlichen politischen Vorlieben verpflichtet fühlen, arbeiten nach einem bestimmten Schema. Sie recherchieren, analysieren und reden mit den Personen, über die sie schreiben. Im persönlichen Gespräch hat man die Möglichkeit, seine Sichtweise der Dinge darzulegen. Und mitunter wird das dann auch ganz genau so gedruckt. Manchmal auch nicht.
Wenn sich die Presse mit einer politischen Partei befasst und ihr wird permanent die Tür vor der Nase zugeschlagen, was soll dann dabei herauskommen? Es ist doch die Aufgabe einer Partei, ihre Themen an die Öffentlichkeit zu bringen. Presse ist dazu da, das zu machen. Und natürlich darf sie das auch kommentieren. Was sie nicht machen sollte, aber natürlich nicht selten tut, ist, für den Leser oder den Zuschauer zu denken und die Meinung zu den berichteten Sachverhalten durch wertende Zusätze gleich mitzuliefern. Das habe ich schon immer gesagt. Dieser Meinungsjournalismus ist ganz schlecht. Ein Journalismus, der Bericht und Kommentar erkennbar trennt, ist völlig in Ordnung.
Sicher, unter den Journalisten gibt es so ein paar Vertreter ihrer Zunft, die nur aus einem einzigen Grund Parteiveranstaltungen besuchen oder mit Mitgliedern sprechen. Weil sie der AfD grundsätzlich schaden wollen, selbst wenn sie dort etwas vorfinden, das sie in anderen Parteien ganz toll finden würden. Solche muss man herausfiltern. Mit denen redet man dann eben nicht mehr oder man lässt sie nicht mehr an Parteiveranstaltungen teilnehmen. Wer Pressearbeit macht, der macht manchmal auch Fehler. Denn der Journalist läuft nicht mit einem Schild herum, auf dem steht „Ich bin böse“ oder „Ich bin lieb“. Man lernt daraus. Ich kann eigentlich im Großen und Ganzen nicht sagen, dass ich mich persönlich durch die Presse schlecht behandelt fühlen würde.
Wenn man sich davor fürchtet, es könnten Parteiinterna an die Öffentlichkeit geraten und es beklagt, wenn das passiert, muss man das schon mal differenzieren.
Selbstverständlich gehören etwa Inhalte persönlicher Gespräche oder Interna aus Vorstandssitzungen nicht an die Öffentlichkeit. Wir wissen beispielsweise aus dem Bundesvorstand, dass auch das offenbar nicht immer beachtet wird oder wurde. Und gerade der niedersächsische Landesvorsitzende selbst und sein Umfeld sind überhaupt nicht verlegen, wenn es darum geht, Interna zum vermeintlich richtigen Zeitpunkt an die Presse zu lancieren oder den Kampf gegen Parteifreunde über die Presse zu führen.
Ein Parteifreund aus dem Landesvorstand eines anderen Landesverbandes sagte mir einmal sinngemäß, ein Journalist habe ihm gesagt, dass man, wenn man wissen wolle, was in der AfD so läuft, nur Paul Hampel zu fragen brauche. Auch wenn es darum geht, Mitglieder des eigenen Landesvorstandes über die Presse in Misskredit zu bringen, ist das Hampel-Umfeld sich für keine Schandtat zu schade. Ganz aktuell ist das Lancieren von E-Mails des Landesschatzmeisters Bodo Suhren, der, wie Hampel, auch Mitglied des Bundesvorstandes ist, an die überregionale Presse, um damit zu belegen, dass Suhren seinen dienstlichen E-Mail-Account für parteiliche Zwecke gebraucht habe. Lesen Sie dazu HIER einen ganz aktuellen Artikel in der WELT. Suhren ist seit Jahren Schatzmeister des Landesvorstandes und in der gesamten Partei wegen seiner Kompetenz und seiner sympathischen Art hochgeschätzt. Einziges Ziel dieser Aktion war, Suhren persönlich zu schaden. Denn der Partei entsteht ja erst einmal kein Schaden durch die Nutzung von privaten oder dienstlichen E-Mail-Accounts. Es sei denn, tja es sei denn, und nun wird es ganz perfide, man würde unterstellen, die Post in einem dienstlichen Account würde von Dritten gelesen und es sei ein, möglicherweise sogar absichtliches, Versäumnis, dieses zuzulassen. Nun ist es nicht mehr weit zu abstrusen Verschwörungstheorien und Agentenstorys, die der Landesvorsitzende und sein Umfeld sich über weitere Mitglieder ausgedacht haben und vor der Aufstellungsversammlung im Februar per Rundmail an alle Mitglieder des AfD Niedersachsen verschickt haben.
Der niedersächsische Landesvorsitzende sitzt, wenn es um die Weitergabe von Parteiinterna an die Presse geht, sicher im Glashaus. Er und sein Umfeld sollten daher nicht mit Steinen werfen und so tun, als könnten sie keiner Fliege etwas zu leide tun und die Bösen seien immer nur die Anderen.
Wer allerdings als Repräsentant einer Partei auf Parteitagen oder Mitgliederversammlungen auftritt, der sollte auch damit rechnen müssen, dass das öffentlich wird und dementsprechend handeln. Wenn eine Partei damit ein Problem hat, entsteht natürlich der Eindruck, sie habe etwas zu verbergen. Was denn? Mitglieder, die auf solchen Veranstaltungen Dinge tun oder sagen, die in der Öffentlichkeit der Partei schaden können? Verbale Angriffe verfeindeter Parteifreunde? Äußerungen, die die bekannten Ressentiments gegenüber unserer Partei befeuern? Man sollte lieber dafür sorgen, dass es in unserer Partei absolut nichts zu finden gibt, das man vor irgendjemandem verbergen müsste. Das Wohnzimmer sollte in unserer Partei stets so aufgeräumt sein, dass man die Presse jederzeit hineinbitten kann, weil es einfach keinen Schmutz zu finden gibt. Deshalb, weil es ihn nicht gibt und nicht, weil er unter den Teppich gekehrt wurde. Dahin müssen wir kommen.
Wer sich auf einem Parteitag aufführt wie Rumpelstilzchen, das gerade erfahren hat, dass die Königin seinen Namen richtig gesagt hat, der muss sich weder wundern noch darüber beklagen, dass das später in der Presse steht.
Und zuletzt gibt es natürlich noch einen Grund, warum es manchmal notwendig sein kann, die Presse mit ins Boot zu holen. Vorstände haben die Informationshoheit über die Mitglieder. Zumindest über die, die nicht regelmäßig in den sozialen Medien unterwegs sind. Denn Vorstände kontrollieren die E-Mail-Verteiler. In Niedersachsen haben der Landesvorstand und die ihm gewogenen Kreisvorstände, die sich selbst als Prätorianer bezeichnen, eine Burg um die Mitglieder in ihrem Einflussbereich gebaut. Dort werden die Mitglieder einseitig und nur im Sinne des Landesvorstandes informiert. Wer diese Mitglieder informieren will, dem bleibt manchmal nur der Weg über die Presse. Denn die lesen auch die Mitglieder. Auf den ersten Blick natürlich nur, sofern es Mitglieder sind, die sich dem „Einfluss“ der Mainstream-Medien nicht schon vollständig entzogen haben und sich „nur noch“ über das Internet und die sozialen Medien informieren. Auf den zweiten Blick lesen es allerdings fast alle, und zwar ganz besonders alle AfD-Mitglieder und nicht alle Bürger. Denn die AfD-Gemeinde saugt jeden Artikel in jeder Zeitung, der nur das Wort „AfD“ enthält, begierig auf und stellt ihn anschließend sofort in die sozialen Medien, wo sie sich im Schneeballsystem rasend schnell verbreiten. Stimmt also nicht, dass viele AfD-Mitglieder die Zeitung nicht mehr lesen. Sie lesen sie nur woanders. Auf die gleiche Weise finden übrigens auch Rundscheiben der Vorstände an Mitglieder ihre Verbreitung. Zumindest, wenn es sich um Rundschreiben mit relevanten Inhalten handelt. Irgendeiner stellt das immer in eine geheime oder nicht geheime Gruppe bei Facebook oder sonst wo ein. So gesehen führt der Weg über die Presse am Ende zu einem ähnlichen Ergebnis. Mitglieder werden im Sinne des Urhebers informiert.
Jetzt kommen noch die, die sich stets vor lauter Panik nicht mehr einkriegen, weil angeblich jeder Artikel in der Öffentlichkeit der AfD schade. Das mag im Einzelfall so sein, ist aber häufig auch falsch. Denn erstens ist es bekannt, dass jede Veröffentlichung über die AfD, egal ob positiv oder negativ, am Ende zu Stimmzuwachs geführt hat. Zweitens habe ich in meinem privaten Umfeld bei Nicht-AfD-Mitgliedern festgestellt, dass diese die Artikel über die AfD gar nicht aufmerksam lesen oder, wenn etwa wieder die Nazikeule geschwungen wird, das gar nicht mehr ernst nehmen. Das ist in den letzten 4 Jahren dermaßen überstrapaziert worden, dass die Leute es einfach nicht mehr glauben. Diejenigen, die aufmerksam jedes Wort lesen und bewerten, sind meist AfD-Mitglieder.