Frühlingsanfang: AfD Niedersachsen wählt neuen Landesvorstand

Hannover. Die AfD Niedersachsen hat am Wochenende, nur wenige Tage nach Frühlingsbeginn, einen neuen Landesvorstand gewählt. Dabei wurde der Landesvorsitzende Paul Hampel mit 214 von 379 gültigen Stimmen (56,6 Prozent) erneut zum Landesvorsitzenden gewählt. Stellvertretende Landesvorsitzende wurden Jörn König mit 219 von 358 Stimmen (61,2 Prozent), Wilhelm von Gottberg mit 193 vom 342 Stimmen (56,5 Prozent) und Oliver Westphal mit 189 von 280 Stimmen (67,5 Prozent). Hampel, König und Gottberg stehen auch auf der Landesliste der AfD Niedersachsen für die Bundestagswahl. Hampel auf Platz 1, König auf Platz 2 und Gottberg auf Platz 4.

Auf dem turbulenten Parteitag wurde die Presse per Beschluss ausgeschlossen.

Kommentar:

Eine Aussprache, die eigentlich dringend notwendig gewesen wäre, fand kaum statt. Diejenigen, die sich in den vergangenen Wochen und Monaten für einen Wechsel der Parteiführung und eine gemischte Besetzung des Vorstandes mit Mitgliedern aus beiden Lagern stark gemacht hatten, um eine gute Grundlage für eine Einigung des Landesverbandes möglich zu machen, waren sicher nicht die ersten, die feststellen mussten, dass das auf einem Parteitag so gut wie unmöglich ist. Die Regie haben hier diejenigen, die den Parteitag organisieren und ausrichten. Von der Wahl des Veranstaltungsortes über die Einladung von Gastrednern bis hin zur Auswahl der Versammlungsleitung. Dafür ist in der Regel der alte Vorstand zuständig. Und so machte es die Parteitagsregie auch dieses Mal möglich, dass Kritiker gar nicht oder nur unter Schwierigkeiten, und dann mit Redezeitbegrenzung, zu Wort kamen. Während alle Mitglieder des Altvorstandes exorbitante Redezeiten zur Selbstdarstellung und zu verbalen Angriffen auf die Gegner erhielten. Das ist so auf Parteitagen. Das haben der Vorstand und seine Anhänger bis zur Perfektion umgesetzt. Unter diesen Bedingungen sind 56 Prozent ein Ergebnis, das Bände spricht. Hier hätte an einem anderen Ergebnis nicht viel gefehlt. Etwa ein anderer Veranstaltungsort als Hannover oder die Möglichkeit, den Kritikern Gelegenheit zu geben, zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen angemessen Stellung zu nehmen. Nur eines davon hätte wahrscheinlich gereicht. Darum war es für den Landesvorstand und insbesondere den Vorsitzenden ein Ritt auf der Rasierklinge. Mit viel Disziplin und einer entsprechenden Parteitagsorganisation ist es gerade nochmal gut gegangen.

Von den 4 Spitzenfunktionären, die den Landesverband führen und organisieren sollen, haben 3 einen aussichtsreichen Listenplatz für die Bundestagswahl. Alle innerhalb der ersten 4 Listenplätze, die als sicher gelten. Es ist die Frage, wie diese Funktionäre den Landesverband Niedersachen die nächsten 2 Jahre erfolgreich führen wollen, wenn sie alle ab September dieses Jahres im Bundestag sitzen. Wie soll diese Doppelbelastung, beim Landesvorsitzenden sogar Dreifachbelastung, denn er ist auch noch Mitglied des Bundesvorstandes, noch dazu führen, dass alle diese 2 oder 3 Jobs angemessen erledigt werden können? Es geht doch nur entweder das eine oder andere. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der vierte Spitzenfunktionär, Oliver Westphal, in den Landtag strebt. Das verträgt sich mit einem stellvertretenden Landesvorsitz mit Sicherheit wesentlich besser als ein Bundestagsmandat. Aber damit kann sich nicht ein einziger derjenigen, die den Landesverband maßgeblich führen sollen, ausschließlich auf die wichtige Vorstandsarbeit konzentrieren, für die sie gewählt worden sind. Sie haben alle auch noch zusätzlich Mandate in kommunalen Parlamenten. 3 von 4 sind zudem Kreisvorsitzende. Wir reden also im Grunde sogar von Dreifach- bis Fünffach-Belastungen. Der zum Parteitag geladene Gastredner hieß Ralf Özkara, der erst kürzlich zum Landesvorsitzenden in Baden-Württemberg gewählt wurde. Er setzte sich gegen Alice Weidel durch, die dort Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl ist. Und zwar unter anderem deshalb, weil Bundessprecher Jörg Meuthen in seiner Rede darauf hinwies, dass er eine solche Mehrfachbelastung für nachteilig hält. In Niedersachsen ticken die Uhren anders. Es ist ja völlig in Ordnung, wenn in einem Landesvorstand auch Mandatsträger sitzen. Aber gleich bis zu 5 Bundestagsabgeordnete im Landesvorstand? Die Kandidaten für Listenplatz 3 und 9, Thomas Ehrhorn und Rolf-Rüdiger Wandtke, sind nämlich auch in den neuen Landesvorstand gewählt worden. Die AfD Niedersachsen hat nun auch erstmals einen Generalsekretär.  Jens Kestner ist ebenfalls Kandidat für den Bundestag (Listenplatz 6).

Wer soll da ab September 2017 die Arbeit tun. Die Beisitzer und der eine stellvertretende Landesvorsitzende? Ich bin gespannt.

Eines muss man nun aber auch sagen. Ganz egal, wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist. Die Mitglieder haben so entschieden und es war eine demokratische Wahl. Es ist guter demokratischer Brauch, das jetzt zu akzeptieren. Jammern und Wehklagen hilft da nicht weiter. Der neu gewählte Vorstand ist der Landesvorstand der AfD Niedersachsen. Ich gratuliere und hoffe persönlich, dass die Kläranlage für innerparteiliche Gegner sofort geschlossen und sich auf die kommenden Wahlen konzentriert wird. Wir haben am Wochenende mehrfach gehört, es solle nun Inhalte geben. Dann mal los. Die Chance muss man dem neuen Vorstand geben. (jw)

Informationen zu meiner Kandidatur für den Landesvorstand der AfD Niedersachsen

Von Dr. Jens Wilharm

Am 25. Und 26. März 2017 findet eine Neuwahl des Landesvorstandes der AfD Niedersachsen statt. Ich habe gegenüber dem Landesverband meine offizielle Bewerbung für ein Vorstandsamt erklärt.

Ich habe mich seit meinem Eintritt in die AfD im Spätsommer 2013 immer aktiv engagiert. Unter anderem als Kreisvorsitzender, stellvertretender Landesvorsitzender, Mitglied und stellvertretender Sprecher eines Landes- und eines Bundesfachausschusses sowie als Landesprogrammkoordinator.

Mein Engagement für die AfD fand ein vorläufiges Ende auf Raten. Das begann mit meinem Rücktritt als stellvertretender Landesvorsitzender im Januar 2016. Und es endete mit dem Rücktritt von allen noch verbliebenen Ämtern und Funktionen im Februar 2017, nach der Aufstellungsversammlung der AfD Niedersachsen für den Bundestag.

Warum dann jetzt eine Kandidatur für den Landesvorstand? Wie passt das zusammen? Die Voraussetzungen im Landesverband haben sich ja nicht über Nacht geändert. Ja, das stimmt. Darum steht meine Bewerbung auch unter dem Vorbehalt, dass die Ereignisse der letzten Monate zu Veränderungen führen, von denen die wesentlichste ein Wechsel des Landesvorsitzenden wäre. Sollte dieser Fall eintreten, dann bin ich gerne bereit, mich einzubringen.

Ich habe mich für diesen Fall nicht nur für das Amt des stellvertretenden Landesvorsitzenden beworben. Ich habe mich auch ganz klar um eine Funktion beworben. Selbst wenn diese nicht in Form eines Amtes zur Wahl steht. Nämlich um die des Landesprogrammkoordinators. In dieser Arbeit habe ich Erfahrung, sie macht mir Spaß und ich bin auch noch weit genug im Thema, um sofort wieder einsteigen zu können. Ich habe zuletzt im Dezember 2016 an einer Sitzung der Bundesprogrammkommission teilgenommen. Den Beitrag eines Bundesfachausschusses für das Bundeswahlprogramm habe ich mit erarbeitet und mit formuliert. Noch im Januar 2017 habe ich die bundesweite Online-Umfrage mit vorbereitet. Ich weiß, dass wir so schnell wie möglich ein Landeswahlprogramm für die Landtagswahl brauchen. Ich weiß, dass wir dafür ein gutes Team haben. Ich würde dieses Team gerne verstärken.

Wenn die AfD am 25. und 26. März die Weichen für einen Landesvorstand stellen sollte, der sie  dahin führen möchte, dass sie für die bürgerliche Mitte erste Wahl ist und Mehrheiten generieren kann, dann wäre ich bei diesem Projekt sehr gerne dabei. Der Weg dahin ist weit und beschwerlich, zumal hier in Niedersachsen viel Zeit verschenkt und in Grabenkämpfe investiert wurde. Aber wenn man nicht jetzt anfängt, ihn zu beschreiten, dann wird das Ziel nicht erreicht werden.

Für diejenigen, die sich bereits vorab über Fragen informieren möchten, die durch meine Kandidatur aufgeworfen werden, gebe ich hier ausführliche Antworten:

Warum habe ich nach der niedersächsischen Kommunalwahl im September 2016 die AfD-Fraktion im Kreistag Schaumburg verlassen und, zusammen mit einem weiteren Parteifreund, eine zweite Fraktion gegründet? Wie kann es sein, dass es Abgeordnete derselben Partei so kurz nach einer Wahl nicht einmal schaffen, sich unter dem Dach einer Fraktion zusammenzufinden? Hat das nicht eine fatale Außenwirkung und ist das nicht parteischädigend?

Baden-Württemberger Verhältnisse in Schaumburg. Selbstverständlich entsteht dadurch erst einmal der Eindruck einer zerstrittenen Partei. Kein Mensch macht das einfach so. Wir sahen die Freiheit des Mandats gefährdet. Der Landesvorsitzende und der Kreisvorstand haben mit Erfolg versucht, die konstituierende Sitzung, aus unserer Sicht in verwerflicher Weise, nach ihren Wünschen zu beeinflussen. Diesem Diktat wollten wir uns als freie Abgeordnete nicht unterwerfen, denn wir mussten damit rechnen, dass die politischen Vorstände auch zukünftig versuchen würden, die Arbeit der Fraktion zu steuern. Darum haben wir uns als freie AfD-Abgeordnete, die weitgehend unabhängig von den politischen Vorständen sind, in einer neuen Fraktion zusammengefunden. Als freie AfD-Abgeordnete, die sich selbstverständlich dem Parteiprogramm der AfD verpflichtet fühlen. Ebenso den Bürgern, die uns gewählt haben. Die Außenwirkung im Kreis Schaumburg dürfte weit weniger fatal gewesen sein, als man es vermuten könnte. Denn dass es erhebliche Differenzen zwischen mir und dem Kreisvorstand gab, besonders im Hinblick auf den Umgang mit Themen und Personen, die dem rechten Rand nahestehen, war bereits Wochen vor der Kommunalwahl durch die lokalen Medien gegangen. Man könnte sagen, dass die Wähler hier in Schaumburg das wussten. Vielleicht sogar, dass mich manche gerade deshalb gewählt haben. Ich hatte die mit Abstand meisten persönlichen Stimmen der AfD-Kandidaten in Schaumburg und mit knapp 11,5 Prozent gab es auch ein hervorragendes Ergebnis in meinem Wahlbereich.

Heute höre ich, dass die Aufnahme neuer Mitglieder in den Kreisverband einer deutlich besseren Kontrolle unterliegen soll. Das ist gut. Und ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die beiden Fraktionen eines Tages wieder zusammenwachsen können.

Um ehrlich zu sein, denn ich finde das nicht verwerflich, gab es auch eine persönliche Ebene. Ich hatte die Kommunalwahl in Schaumburg als Wahlkampfkoordinator maßgeblich mit vorbereitet. Ich habe unser Wahlprogramm maßgeblich mit erstellt. Ich habe unseren Kreisverband mit gegründet. Ich war auf fast jedem Bundes- und Landesparteitag seit Mitte 2013. Ich habe meinen Kopf für die AfD hingehalten, obwohl ich als Selbständiger vor Ort in der Öffentlichkeit stehe und mir das auch wirtschaftlich geschadet hat. Und da kamen dann ein Kreisvorsitzender und eine Landesvorsitzender und haben mal eben dafür gesorgt, dass Jens Wilharm nicht Fraktionsvorsitzender werden durfte. Weil ich beide geärgert hatte.

Den Kreisvorsitzenden und Teile des Kreisvorstandes habe ich geärgert, indem ich mich öffentlich in der Lokalpresse von einem Schaumburger Kreistagskandidaten distanziert habe, auf dessen Facebook-Seite die Presse unglaubliche Inhalte entdeckt hatte. Die Presse hatte mich und den Kreisvorsitzenden mehrere Tage vor der Veröffentlichung mit etwa 30 Screenshots konfrontiert und dazu um Stellungnahme gebeten. Da gab es dann etwa einen Beitrag über eine Friedensrede von Adolf Hitler von 1939 und einen anderen Beitrag über das Abfackeln eines Wahlkampfbusses der CDU mit dem Zusatz, der Widerstand beginne nun endlich. Die Beiträge hatte der Kandidat nur geteilt und nicht selbst geschrieben. Deswegen fand der Kreisvorstand das nicht so schlimm, während ich der Meinung war, dass das nicht damit vereinbar sei, die AfD in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auch der Landesvorstand sah keinen Anlass, sich darum zu kümmern. Ich hatte versucht, den Landesvorsitzenden rechtzeitig vor der Presse-Veröffentlichung per Handy, per Festnetztelefon und per E-Mail zu kontaktieren. Keine Reaktion.

Den Landesvorsitzenden habe ich geärgert, indem ich über einem Landesparteitag, der eine Woche nach der Kommunalwahl 2016, aber vor der konstituierenden Sitzung der Kreistagsfraktion, stattfand, einen Beitrag auf der Webseite des Stadtverbandes Rinteln veröffentlicht habe. Auf den Beitrag wurden einige Journalisten aufmerksam und dann gab es ein paar Artikel in der überregionalen Presse. Den Original-Beitrag finden Sie übrigens HIER.

Besonders geärgert hat sich der Landesvorsitzende laut eigenem Bekunden über einen Artikel in der TAZ. Er habe kein Verständnis dafür, wie man mit unseren schlimmsten Gegnern über Parteiinterna reden könne. Mitglieder der AfD Niedersachsen, auch des Landesvorstandes und des Kreisvorstandes, meinen heute noch, ein Gespräch mit der TAZ sei ein absolutes No Go. Nun, der Landesvorsitzende höchstselbst hat genau dieser Zeitung ein Jahr zuvor ein ausführliches Interview gegeben. Das finden Sie HIER. Es kommt also nicht darauf an, mit welcher Zeitung man redet, sondern WER das macht. Ein Landesvorsitzender darf sogar mit der TAZ reden, aber andere dafür maßregeln, wenn sie das tun.

Die Rache folgte auf dem Fuße. Man sorgte dafür, dass ich in der Kreistagsfraktion „kalt gestellt“ wurde. Dass ich dann auf die Idee kommen würde, einfach diesen manipulierten Haufen zu verlassen, noch ein weiteres Mitglied mitgehen würde und wir einfach eine eigene Fraktion gründen, damit hatten sie nicht gerechnet. Für mich ist diese Fraktion jetzt so etwas wie eine Burg, in die hinein der Arm des derzeitigen Landesvorstandes und des Kreisvorstandes nicht reicht und aus der heraus ich ganz befreit politisch arbeiten kann. Man muss es nicht gut finden. Aber ich bin kein Masochist, der sich in unbedingtem Parteigehorsam alles gefallen lässt und darüber seine eigene Grundsätze verrät. Ich bin auch kein Parteisoldat, der nicht zu fragen, sondern zu funktionieren hat. Sondern ich bin jemand, der selbst denkt und der nicht schweigt, wenn er mit Sachverhalten konfrontiert ist, die mit den fundamentalen Ansprüchen, die wir als neue und alternative Partei haben, nicht vereinbar sind. Dazu gehört Rechtsstaatlichkeit. Dazu gehört, dass wir uns selbstverständlich stets im Rahmen der freiheitlich-demokratische Grundordnung und des Grundgesetzes zu bewegen haben. Dazu gehört die Ablehnung von Extremismus jeder Art.

Ich bin im Januar 2016 aus dem Landesvorstand zurückgetreten und habe im Februar 2017 alle Ämter und Funktionen in der AfD niedergelegt. Warum bewerbe ich mich dann jetzt für ein Amt im neuen Landesvorstand und warum sollten die Mitglieder glauben, dass nicht am Ende der nächste Rücktritt folgt?

Jeder dieser Rücktritte hängt unmittelbar oder mittelbar mit einer einzigen Person und ihrem Wirken in der AfD Niedersachsen zusammen, nämlich dem derzeitigen Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, Armin Paul Hampel. Das gilt auch für die Gründung einer zweiten AfD-Fraktion im Kreistag Schaumburg nach einer sehr erfolgreichen Kommunalwahl, in der ich im Landkreis Schaumburg mit 1129 Stimmen das beste persönliche Ergebnis und mit 11,42 Prozent auch ein hervorragendes Ergebnis in meinem Wahlbereich geholt habe. Nach einem solchen Ergebnis verlässt man nicht ohne Grund und auch nicht aus persönlicher Eitelkeit die Fraktion seiner Partei. Dazu kann man nur aus tiefer Verzweiflung über die innerparteiliche Entwicklung, auch und vor allem im Kreis- und im Landesvorstand, getrieben werden. Einer Entwicklung, die ohne das Wirken und teilweise auch fatale Nichtwirken des Landesvorsitzenden nicht möglich gewesen wäre.

Ich gehe davon aus, dass es viele gute Leute im Landesverband Niedersachsen gibt, mit denen eine gedeihliche Zusammenarbeit im Landesvorstand möglich wäre und die über genügend Weitsicht verfügen, um den Landesverband in sichere Gewässer zu steuern und ihm vor allem unter den 16 Landesverbänden ein eigenes Profil zu geben. Niemand tritt aus einem Vorstand zurück, der sich an die elementaren Grundsätze einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe hält und in dem es nicht Vorstandsmitglieder erster, zweiter und dritter Klasse gibt, die sich im zugestandenen Informationsstand unterscheiden.

Meine Kandidatur steht unter dem selbstverständlichen Vorbehalt, dass Paul Hampel nicht erneut zum Landesvorsitzenden gewählt wird. Bereits in meiner Rücktrittserklärung im Januar 2016 habe ich darauf hingewiesen, dass ich jederzeit wieder zu einer Mitarbeit im Landesvorstand bereit sei, wenn der Vorsitzende nicht mehr Paul Hampel heißt. Ich bin überzeugt, dass die gegnerischen Lager, die wir im Moment im Landesverband haben, sehr viel leichter wieder zusammenfinden können, wenn klar ist, dass Hampel nicht länger für die Geschicke des Landesverbandes verantwortlich zeichnet.

Warum habe ich mehrfach mit Journalisten über die AfD gesprochen? Sollten Interna nicht intern bleiben und sollte man nicht die „Lügenpresse“ besser außen vor lassen?

Ich glaube, dass regelmäßige Pressearbeit zu den Aufgaben von Parteivorständen und Mandatsträgern gehört. Es ist im Grundsatz nicht nur richtig, sondern sogar notwendig, mit der Presse zu reden, wenn man medial präsent sein will. Und das muss man sein, wenn man Wähler und Mitglieder dazugewinnen will. Kreisverbände, die eine unterdurchschnittliche Pressearbeit betreiben oder gar nicht mit der Presse reden, sondern vorwiegend über Internet und soziale Medien mit Interessenten kommunizieren, verzichten auf eine wichtige Chance, auf sich aufmerksam zu machen.

Ich finde es auch nicht zutreffend, die Presse pauschal als „Lügenpresse“ zu beschimpfen, auch wenn es natürlich immer wieder Beiträge gibt, die einseitig oder mit Vorurteilen behaftet zu sein scheinen. Die Fakten zu unterschlagen oder die Wahrheit zu verdrehen scheinen. Oder die einfach böse sind. Klar, alles das gibt es. Aber das ist nicht die Presse. Journalisten, die professionell arbeiten und sich ihrem Berufsethos als Journalist mehr als den persönlichen politischen Vorlieben verpflichtet fühlen, arbeiten nach einem bestimmten Schema. Sie recherchieren, analysieren und reden mit den Personen, über die sie schreiben. Im persönlichen Gespräch hat man die Möglichkeit, seine Sichtweise der Dinge darzulegen. Und mitunter wird das dann auch ganz genau so gedruckt. Manchmal auch nicht.

Wenn sich die Presse mit einer politischen Partei befasst und ihr wird permanent die Tür vor der Nase zugeschlagen, was soll dann dabei herauskommen? Es ist doch die Aufgabe einer Partei, ihre Themen an die Öffentlichkeit zu bringen. Presse ist dazu da, das zu machen. Und natürlich darf sie das auch kommentieren. Was sie nicht machen sollte, aber natürlich nicht selten tut, ist, für den Leser oder den Zuschauer zu denken und die Meinung zu den berichteten Sachverhalten durch wertende Zusätze gleich mitzuliefern. Das habe ich schon immer gesagt. Dieser Meinungsjournalismus ist ganz schlecht. Ein Journalismus, der Bericht und Kommentar erkennbar trennt, ist völlig in Ordnung.

Sicher, unter den Journalisten gibt es so ein paar Vertreter ihrer Zunft, die nur aus einem einzigen Grund Parteiveranstaltungen besuchen oder mit Mitgliedern sprechen. Weil sie der AfD grundsätzlich schaden wollen, selbst wenn sie dort etwas vorfinden, das sie in anderen Parteien ganz toll finden würden. Solche muss  man herausfiltern. Mit denen redet man dann eben nicht mehr oder man lässt sie nicht mehr an Parteiveranstaltungen teilnehmen. Wer Pressearbeit macht, der macht manchmal auch Fehler. Denn der Journalist läuft nicht mit einem Schild herum, auf dem steht „Ich bin böse“ oder „Ich bin lieb“. Man lernt daraus. Ich kann eigentlich im Großen und Ganzen nicht sagen, dass ich mich persönlich durch die Presse schlecht behandelt fühlen würde.

Wenn man sich davor fürchtet, es könnten Parteiinterna an die Öffentlichkeit geraten und es beklagt, wenn das passiert, muss man das schon mal differenzieren.

Selbstverständlich gehören etwa Inhalte persönlicher Gespräche oder Interna aus Vorstandssitzungen nicht an die Öffentlichkeit. Wir wissen beispielsweise aus dem Bundesvorstand, dass auch das offenbar nicht immer beachtet wird oder wurde. Und gerade der niedersächsische Landesvorsitzende selbst und sein Umfeld sind überhaupt nicht verlegen, wenn es darum geht, Interna zum vermeintlich richtigen Zeitpunkt an die Presse zu lancieren oder den Kampf gegen Parteifreunde über die Presse zu führen.

Ein Parteifreund aus dem Landesvorstand eines anderen Landesverbandes sagte mir einmal sinngemäß, ein Journalist habe ihm gesagt, dass man, wenn man wissen wolle, was in der  AfD so läuft, nur Paul Hampel zu fragen brauche. Auch wenn es darum geht, Mitglieder des eigenen Landesvorstandes über die Presse in Misskredit zu bringen, ist das Hampel-Umfeld sich für keine Schandtat zu schade. Ganz aktuell ist das Lancieren von E-Mails des Landesschatzmeisters Bodo Suhren, der, wie Hampel, auch Mitglied des Bundesvorstandes ist, an die überregionale Presse, um damit zu belegen, dass Suhren seinen dienstlichen E-Mail-Account für parteiliche Zwecke gebraucht habe. Lesen Sie dazu HIER einen ganz aktuellen Artikel in der WELT. Suhren ist seit Jahren Schatzmeister des Landesvorstandes und in der gesamten Partei wegen seiner Kompetenz und seiner sympathischen Art hochgeschätzt. Einziges Ziel dieser Aktion war, Suhren persönlich zu schaden. Denn der Partei entsteht ja erst einmal kein Schaden durch die Nutzung von privaten oder dienstlichen E-Mail-Accounts. Es sei denn, tja es sei denn, und nun wird es ganz perfide, man würde unterstellen, die Post in einem dienstlichen Account würde von Dritten gelesen und es sei ein, möglicherweise sogar absichtliches, Versäumnis, dieses zuzulassen. Nun ist es nicht mehr weit zu abstrusen Verschwörungstheorien und Agentenstorys, die der Landesvorsitzende und sein Umfeld sich über weitere Mitglieder ausgedacht haben und vor der Aufstellungsversammlung im Februar per Rundmail an alle Mitglieder des AfD Niedersachsen verschickt haben.

Der niedersächsische Landesvorsitzende sitzt, wenn es um die Weitergabe von Parteiinterna an die Presse geht, sicher im Glashaus. Er und sein Umfeld sollten daher nicht mit Steinen werfen und so tun, als könnten sie keiner Fliege etwas zu leide tun und die Bösen seien immer nur die Anderen.

Wer allerdings als Repräsentant einer Partei auf Parteitagen oder Mitgliederversammlungen auftritt, der sollte auch damit rechnen müssen, dass das öffentlich wird und dementsprechend handeln. Wenn eine Partei damit ein Problem hat, entsteht natürlich der Eindruck, sie habe etwas zu verbergen. Was denn? Mitglieder, die auf solchen Veranstaltungen Dinge tun oder sagen, die in der Öffentlichkeit der Partei schaden können? Verbale Angriffe verfeindeter Parteifreunde? Äußerungen, die die bekannten Ressentiments gegenüber unserer Partei befeuern? Man sollte lieber dafür sorgen, dass es in unserer Partei absolut nichts zu finden gibt, das man vor irgendjemandem verbergen müsste. Das Wohnzimmer sollte in unserer Partei stets so aufgeräumt sein, dass man die Presse jederzeit hineinbitten kann, weil es einfach keinen Schmutz zu finden gibt. Deshalb, weil es ihn nicht gibt und nicht, weil er unter den Teppich gekehrt wurde. Dahin müssen wir kommen.

Wer sich auf einem Parteitag aufführt wie Rumpelstilzchen, das gerade erfahren hat, dass die Königin seinen Namen richtig gesagt hat, der muss sich weder wundern noch darüber beklagen, dass das später in der Presse steht.

Und zuletzt gibt es natürlich noch einen Grund, warum es manchmal notwendig sein kann, die Presse mit ins Boot zu holen. Vorstände haben die Informationshoheit über die Mitglieder. Zumindest über die, die nicht regelmäßig in den sozialen Medien unterwegs sind. Denn Vorstände kontrollieren die E-Mail-Verteiler. In Niedersachsen haben der Landesvorstand und die ihm gewogenen Kreisvorstände, die sich selbst als Prätorianer bezeichnen, eine Burg um die Mitglieder in ihrem Einflussbereich gebaut. Dort werden die Mitglieder einseitig und nur im Sinne des Landesvorstandes informiert. Wer diese Mitglieder informieren will, dem bleibt manchmal nur der Weg über die Presse. Denn die lesen auch die Mitglieder. Auf den ersten Blick natürlich nur, sofern es Mitglieder sind, die sich dem „Einfluss“ der Mainstream-Medien nicht schon vollständig entzogen haben und sich „nur noch“ über das Internet und die sozialen Medien informieren. Auf den zweiten Blick  lesen es allerdings fast alle, und zwar ganz besonders alle AfD-Mitglieder und nicht alle Bürger. Denn die AfD-Gemeinde saugt jeden Artikel in jeder Zeitung, der nur das Wort „AfD“ enthält, begierig auf und stellt ihn anschließend sofort in die sozialen Medien, wo sie sich im Schneeballsystem rasend schnell verbreiten. Stimmt also nicht, dass viele AfD-Mitglieder die Zeitung nicht mehr lesen. Sie lesen sie nur woanders. Auf die gleiche Weise finden übrigens auch Rundscheiben der Vorstände an Mitglieder ihre Verbreitung. Zumindest, wenn es sich um Rundschreiben mit relevanten Inhalten handelt. Irgendeiner stellt das immer in eine geheime  oder nicht geheime Gruppe bei Facebook oder sonst wo ein. So gesehen führt der Weg über die Presse am Ende zu einem ähnlichen Ergebnis. Mitglieder werden im Sinne des Urhebers informiert.

Jetzt kommen noch die, die sich stets vor lauter Panik nicht mehr einkriegen, weil angeblich jeder Artikel in der Öffentlichkeit der AfD schade. Das mag im Einzelfall so sein, ist aber häufig auch falsch. Denn erstens ist es bekannt, dass jede Veröffentlichung über die AfD, egal ob positiv oder negativ, am Ende zu Stimmzuwachs geführt hat. Zweitens habe ich in meinem privaten Umfeld bei Nicht-AfD-Mitgliedern festgestellt, dass diese die Artikel über die AfD gar nicht aufmerksam lesen oder, wenn etwa wieder die Nazikeule geschwungen wird, das gar nicht mehr ernst nehmen. Das ist in den letzten 4 Jahren dermaßen überstrapaziert worden, dass die Leute es einfach nicht mehr glauben. Diejenigen, die aufmerksam jedes Wort lesen und bewerten, sind meist AfD-Mitglieder.

Türken starten Anti-Erdogan-TV in Köln

Wie mehrere deutsche Medien berichten, haben Erdogan-Gegner jetzt einen oppositionellen TV-Sender in Köln eröffnet. Der Sender mit dem Namen „Arti TV“, was übersetzt „Plus TV“ heißt, ist über den Satelliten Hot Bird 13° Ost zu empfangen. Frequenz 11.054 H, SR 27500, FEC 5/6. Das Signal ist unverschlüsselt. Zusätzlich soll der Kanal im Internet über einen Livestream zu empfangen sein. Seit dem 22. Februar 2017 wurden bereits Testsendungen ausgestrahlt. Am 17. März startete „Arti TV“ offiziell.

Arti TV sendet in türkischer Sprache und wird täglich mehrere Stunden am Tag mit Beiträgen, Interviews und Diskussionsrunden über das politische und gesellschaftliche Leben in der Türkei informieren.

Zum Team um den Chefredeakteur Celal Baslangic sollen mehrere Dutzend regierungskritische Journalisten gehören. Sie seien zum Teil nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli aus der Türkei emigriert und lebten zum Teil schon länger in Europa. Baslangic selbst sei seit mehr als 40 Jahren Journalist. Er habe in der Türkei für viele Medien gearbeitet, sei unter anderem Redaktionsleiter bei der Zeitung „Cumhuriyet“ gewesen.

Wichtigstes Ziel sei es laut Angaben der Beteiligten zunächst, durch politische Aufklärung einen Sieg des Erdogan-Lagers beim Referendum am 16. April zu verhindern. Darüber hinaus wolle man unabhängig und objektiv über die Entwicklungen in der Türkei berichten.

Das Budget des Senders liege bei 70.000 – 100.000 Euro und stamme von einer Stiftung mit Sitz in den Niederlanden, die von türkischen Unternehmern finanziert werde.

Lesen Sie einen ausführlichen Bericht dazu HIER im Kölner Stadt-Anzeiger.

Ob das zu einem friedlichen Miteinander der in Deutschland lebenden Türken beiträgt, unter denen es ja bekanntlich viele Erdogan-Anhänger gibt, darf bezweifelt werden. Die Folgekosten für den deutschen Steuerzahler, und sei es nur für die Polizeieinsätze zur Sicherung von Demonstrationen, dürften das Budget des Senders leicht überschreiten und könnten schnell in die Millionen gehen.

Ob das die ohnehin gespannten Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei fördert, darf ebenfalls bezweifelt werden. Aus Sicht der Erdogan-Regierung haben wir es hier sicher mit einem Propaganda-Sender zu tun, der von deutschem Boden aus in die Türkei sendet. Es mag den türkischen Staat schon genug ärgern, dass die Wahlkampfauftritte seiner Minister in Deutschland nunmehr immer häufiger verboten werden. Es ist das Recht eines Staates, solche Entscheidungen zu treffen. Etwas anderes aber ist es, wenn vom Boden eines Staates aus Fernsehsendungen ausgestrahlt werden, die eindeutig die Schwächung oder gar den  Sturz der Regierung eines anderen Staates zum Ziel haben. Das könnte man als psychologische Kriegsführung bezeichnen. Deutschland unterstützt damit türkische Oppositionelle in ihrem Kampf gegen Erdogan.

So unterstützenswert die Ziele dieses Senders daher auch sein mögen, denn eine unabhängige, freie Presse gehört zu den Grundfesten unserer Demokratie und es ist offensichtlich, dass die Pressfreiheit in der Türkei nicht mehr gegeben ist. Wenn die Zielrichtung nicht Deutschland selbst ist, sondern ein anderer Staat, dann ist das diesem gegenüber nicht gerade ein Akt der Freundschaft. Das ist nicht unproblematisch. Demzufolge muss der deutsche Staat umgehend prüfen, ob der Betrieb dieses Senders mit seinen außenpolitischen Interessen vereinbar ist. Die Konsequenzen tragen nämlich am Ende die Bürger in Deutschland. Etwa dann, wenn Herr Erdogan die Schleusen für weitere Flüchtlinge öffnet.

Dass die Zielrichtung dieses Senders eindeutig die Türkei und nicht Deutschland ist, kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass der Sender nicht in deutscher, sondern in türkischer Sprache sendet. Würde er seine Sendungen in deutscher Sprache ausstrahlen, dann wäre die Zielrichtung nicht nur eindeutig die türkische Bevölkerung in Deutschland und damit wäre der Vorwurf eines Medien-Angriffs auf die Türkei entkräftet. Damit würde der Sender dann auch einen wichtigen Beitrag zur Integration leisten.

Nun mag es etwas reißerisch sein, von psychologischer Kriegsführung zu sprechen, wenn es um Presse- und Meingsfreiheit geht und wenn man sich mit der Türkei ja nun nicht wirklich im Krieg befindet. Auch in Deutschland empfangen wir, dank Satellitenfernsehen und Internet, Sender aus anderen Ländern, die unsere Regierung oder unseren Staat kritisieren. Sicherlich empfangen auch die Erdogan-Anhänger in Deutschland Sendungen türkischer Sender, die in der Türkei betrieben werden und die im Sinne der türkischen Regierung  berichten. So gesehen wäre das dann wieder ausgeglichen und wir haben nun einmal eine mediale Globalisierung.

Ich sehe mich auch durchaus eher auf der Seite derjenigen, die für Presse und Meinungsfreiheit in der Türkei kämpfen. Ich habe es nie verstanden, warum wir seitens unserer Regierung relativ wenig kritische Töne gehört haben, als in der Türkei tausende Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte, Lehrer und Hochschullehrer verhaftet wurden. Darum bitte ich darum, diesen kritischen Beitrag nicht falsch zu verstehen. Die Frage ist nicht, ob es richtig oder falsch ist, wenn man es unterstützt, dass Journalisten frei arbeiten können. Das ist natürlich richtig. Die Frage ist, ob ausgerechnet Deutschland, das einen sehr großen türkischen Bevölkerungsanteil hat, der in Sachen Erdogan gespalten ist und das in der Flüchtlingspolitik Europas die zentrale Rolle schlechthin spielt, der richtige Ort für ein solches Projekt ist. Warum macht man das nicht zum Beispiel in den Niederlanden, wenn die das Projekt finanzierende Stiftung schon dort ansässig ist?  Wobei ich das den Niederländern nach den aktuellen Konflikten auch nicht unbedingt zumuten will. Oder warum macht man das nicht von einem muslimischen Land aus, in  dem Meinungsfreiheit herrscht? Die Antwort kann sich jeder einmal selbst überlegen.

Wir Deutsche sollten natürlich nicht wegschauen, wenn Unrecht in dieser Welt geschieht und es ist immer eine gute Idee, Presse- und Meinungsfreiheit zu verteidigen. Doch zuerst müssen immer die mehrheitlichen Interessen unserer eigenen Bevölkerung kommen. In deren Interesse ist es meist nicht, wenn von deutschem Boden aus die Integrität anderer Länder verletzt wird. (jw)

Wahl in den Niederlanden: Sozialdemokratie pulverisiert

Niederlande. Die Holländer haben bei den Parlamentswahlen die bisherige Parteienlandschaft ihres Landes gehörig durcheinandergewirbelt.

Kaum waren die Wahllokale gestern Abend geschlossen und gerade 0,1 Prozent (!) der Stimmen ausgezählt, verkündeten die Medien bei uns bereits, Europa könne nun aufatmen und die Rechtspopulisten seien in den Niederlanden gescheitert. Dabei lagen selbst heute Nachmittag erst Hochrechnungen vor, die aber nun schon relativ genau zu sein scheinen.

Wer sich daran erinnert, was die Medien noch kurz vor der dem Endergebnis der Wahl von Donald Trump und kurz vor dem Brexit gemeldet hatten, konnte ahnen, dass die schnelle Schlagzeile auch dieses Mal von der Realität überholt werden könnte. Offenbar ist hier immer wieder das Wunschdenken der Autoren der Vater ihrer Beiträge.

Auch Angela Merkel (CDU), ihr Minister Altmeier (CDU) und ihr männliches Gegenstück von der SPD, Martin Schulz, ließen es sich nicht nehmen, ihrer Erleichterung Ausdruck zu verleihen.

Leider, leider sehen die Realitäten auch dieses Mal wieder etwas anders aus.

Die Sozialdemokraten von der PvdA, also die holländische SPD, wurde zu einer Kleinpartei pulverisiert. Die WELT berichtet, noch nie habe eine Partei in der Nachkriegsgeschichte des Landes so viele Wähler eingebüßt wie die stolze PvdA. Es ist fraglich, worüber Martin Schulz sich da freuen kann. Erhielt sie vor 5 Jahren noch 24,8 % (38 Sitze), so wurden daraus dieses Mal nur noch 5,7 % (9 Sitze). Auch die rechts-liberale Partei VVD des Premierministers Rutte musste Verluste hinnehmen. Zwar wurde sie mit 21,3 % (33 Sitze) erneut stärkste Kraft, büßte aber im Vergleich zu 2012 (26,5 %, 41 Sitze) ganze 8 Sitze ein. Die PVV von Geert Wilders legte hingegen deutlich zu. Mit 13,1 % legte sie um 5 Sitze zu, von 15 auf 20. Ein respektables Ergebnis. Sie wurde damit zweitstärkste Kraft, gefolgt von den Christdemokraten mit 12,5 % (19 Sitze).

Sicher, ein Erfolg wie der eines Donald Trump blieb für Wilders aus. Aber konnte man das erwarten? Sicher, die Umfragen sagten noch vor einigen Monaten einen möglichen Wahlsieg von Wilders voraus. Aber das mag auch an der sehr persönlichen Ausrichtung der PVV auf diese eine Person liegen.

Wenn man die Wahl aus der Perspektive des politischen Kampfes gegen linke gesellschaftliche Fehlentwicklungen sieht und schaut, welche Parteien die ersten drei Plätze bekleiden, finde ich das Ergebnis durchaus ermutigend. Dass Rechtsliberale und Christdemokraten zusammen in eine Regierung gehen werden, kann man vermuten. Sie könnten wahlweise die linksliberale Partei D66 mit ins Boot holen (19 Sitze) oder eben Wilders (20 Sitze). Zur Regierungsmehrheit fehlen in beiden Fällen dann nur noch die Sitze von 1 oder 2 Kleinparteien. Ein rot-rot-grünes Bündnis aus Sozialdemokraten, Gründen, Sozialisten und vielleicht dann noch der D66 hätte in keinem Fall genügend Sitze für eine Regierungsbildung und bräuchte zu viele weitere Kleinparteien als Partner. Sind wir gespannt, was es wird. (jw)

AfD 2017- eine gute Wahl?

Von Dr. Jens Wilharm

Die Alternative für Deutschland hat sich 2013 gegründet. Unter den Mitgliedern, die im Gründungsjahr in die Partei strömten, waren sehr viele Bürger, die noch nie Mitglied einer politischen Partei waren. Darunter auch viele, die vorher noch nie politisch aktiv waren. Das dürfte sogar auf die Mehrheit der Mitglieder zutreffen. Es gilt auch für mich.

Die Attraktivität der AfD bestand für viele Mitglieder, die damals in die Partei eintraten, darin, dass sie sich nicht in das klassische Links-Rechts-Schema einordnen ließ. Auch wenn das von außen von Anfang an versucht wurde. Die Mehrheit der Mitglieder hat das nicht so empfunden, weil es auf sie auch nicht zutraf. Sie wollte Politik mitgestalten und nicht länger zusehen, wie ein Kartell aus Parteien, die sich alle einig sind, eine Politik macht, die oftmals gegen die Interessen der Bürger gerichtet zu sein schien. Sie wollte aber den Parteienfilz dieser sogenannten Altparteien nicht kopieren. Sie wollte eigentlich am liebsten Politik machen, ohne Partei im klassischen Sinne sein zu müssen. Wir haben Flyer verteilt, in denen stand, die AfD sei eigentlich eine Bürgerbewegung, die nur deshalb Partei geworden sei, weil man anders politisch nichts bewegen könne. In denen stand, die AfD sei nicht links und nicht rechts, sondern einfach nur vernünftig. Wir haben gesagt, die AfD stehe für eine Politik des gesunden Menschenverstandes. Sie stehe für Basisdemokratie in der Partei und direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild in Deutschland. Das alles klang für viele faszinierend neu. Es schien ein Aufbruch zu sein, den das Land bitter nötig hatte. Der viele dazu veranlasst hat, mitzumachen und dabei zu sein. Viele wollten endlich etwas dagegen unternehmen, dass die Bundesregierung Steuergelder in Milliardenhöhe versenkte und Verträge brach, um den Euro zu retten. Für viele schien diese neue Partei auch eine einmalige und historische Chance zu sein, eine gesellschaftliche Entwicklung aufzuhalten, die man schon viel zu lange tatenlos hingenommen hatte. Und die schon fast nicht mehr umkehrbar zu sein schien. Das Vermächtnis der 68’er.

In meinem eigenen Kreisverband, in Nienburg-Schaumburg, waren 90 Prozent der Mitglieder, die in den ersten beiden Jahren in die Partei eintraten, zuvor noch nie Mitglied einer Partei. Es schien sich dort ein Querschnitt der Gesellschaft zu sammeln. Eine Gemeinschaft, innerhalb der man sich wohl fühlen konnte, wenn man von sich selbst glaubte, der bürgerlichen Mitte anzugehören.

Das alles hört sich heute schon fast wie eine Entschuldigung an, Mitglied der AfD geworden zu sein. Das Bild, was die Partei heute vielfach abgibt, und damit meine ich das Bild, was ich innerparteilich wahrnehme, hat nämlich mit dem Bild, dass ich bis Mitte 2016 noch empfunden habe, nicht mehr viel zu tun. In manchen Landesverbänden nicht. Im Landesverband Niedersachsen nicht und auch in meinem Kreisverband nicht. Menschen, die ich gestern als Teil der bürgerlichen Gesellschaft empfand und die es vermutlich im Kern immer noch sind, erfreuen sich heute an den Reden eines Björn Höcke und stellen sich schützend vor ihn, was immer er auch sagt. Menschen, die ich nach wie vor für rechtschaffend und integer halte, stellen sich in Niedersachsen hinter einen professionellen Blender und sorgen dafür, dass dieser wohl im nächsten Bundestag sitzen wird. Menschen, von denen ich vor 4 Jahren glaubte, sie seien diejenigen, die mit geöffneten Augen durch das Leben gehen und deshalb erkannt hätten, dass es mit der Politik in Deutschland so nicht weitergehen darf, haben heute himmelblaue Brillen auf, wenn es um die eigene Partei geht.

Wenn die AfD heute noch sagen würde, sie sei nicht links und nicht rechts, sondern einfach nur vernünftig, würde sich wahrscheinlich nicht nur die gesammelte Medienlandschaft, sondern mittlerweile würden sich wohl auch viele Mitglieder vor Lachen krümmen. Die einen deswegen, weil sie den strammen Rechtskurs von Teilen der Partei durchaus als ebenso rechts wie problematisch empfinden. Die anderen deswegen, weil sie davon überzeugt sind, dass die AfD ganz selbstverständlich eine Rechtspartei ist. Dies müsse in der Partei Konsens sein. Nur eben nicht unbedingt extrem rechts. Wo da allerdings die Grenze zu ziehen ist, darüber ist man sich durchaus nicht einig. Für einzelne scheint sie nicht einmal zu existieren und sie würden sie am liebsten ganz aufheben. Freie Meinungsäußerung ohne Grenzen.

Es gibt auch Mitglieder, die nicht lachen. Das sind die, die sich selbst beim Parteieintritt vermutlich nicht als rechts oder gar rechtsextrem empfunden haben. Die den strammen Rechtskurs der Partei zum Teil auch durchaus erkennen. Die das aber nicht oder nicht mehr als problematisch empfinden und die sowieso längst davon überzeugt sind, dass die Medien ohnehin nicht wahrheitsgemäß über ihre Partei berichten. Die zum Teil die Zeitung längst abbestellt haben und kaum noch von öffentlich-rechtlichen Medien erreicht werden. Die sich überwiegend aus dem Internet und über die sozialen Medien informieren. Und so zu einer leicht manipulierbaren Masse geworden sind. Empfänglich nicht nur für alles, was das Establishment kritisiert, sondern oft auch für manche Verschwörungstheorie.

Nicht links, nicht rechts, sondern vernünftig. Links ist die AfD mit Sicherheit nicht. Das würde wohl kaum jemand bestreiten. Aber in einigen Programmelementen ist sie den Linken gar nicht so fern. In anderen außer Sichtweite. Darum erscheint auch manches, was eine Sarah Wagenknecht sagt, so, als passe es gut zur AfD. Mitunter hat sie ja recht und es ist nicht deswegen falsch, weil sie Mitglied der Linken ist. Eine reine Rechtspartei ist die AfD auch nicht. Aber mehr rechts als links und da, wo sie rechts ist, durchaus rechter als die CDU von heute. Warum nicht? Ich persönlich habe kein Problem damit, Mitglied einer Rechtspartei zu sein. Rechts ist erst einmal nichts weiter als eine Richtung im demokratischen Spektrum. So wie links.

Aber ist die AfD wenigstens vernünftig? Vernünftig, das ist so ein Appell an den gesunden Menschenverstand. Jeder will von sich behaupten können, vernünftig zu sein. Aber wer oder was ist schon auf Dauer immer vernünftig? Erst recht dann, wenn Emotionen dazukommen. Und Nationalbewusstsein wie Vaterlandsliebe sind naturgemäß stark emotional belegt. Das ist nicht negativ gemeint. Nein, im Gegenteil. Nur ein Land, dessen Bürger es lieben, ähnlich wie sie die eigene Familie lieben, kann stark genug sein, um auf Dauer Bestand zu haben. Die AfD ist nicht vernünftiger als die etablierten Parteien. Vielleicht sogar noch weniger. Solange die  Selbstfindungsphase noch anhält und viel Kraft in innerparteiliche Grabenkämpfe investiert wird, mag das ganz besonders so sein. Aber die AfD vertritt eine ganze Reihe sehr vernünftiger Forderungen, die man leicht erkennen kann, wenn man sich einmal die Mühe macht, das Parteiprogramm zu lesen.

Wie konnte es zu dieser Entwicklung kommen? Wie konnte aus einer Partei, die sich mit großer Mehrheit nicht aus Mitgliedern gründete, die dem politisch rechten Rand nahe standen, eine Partei werden, die medial so wahrgenommen wird?

Es wäre zu kurz gegriffen, den Medien allein dafür die Schuld in die Schuhe zu schieben. Aber sie haben einen Anteil daran. Hätten sie die neue Partei von Anfang an fair beurteilt und anstatt mit Vorurteilen mit ergebnisoffenen Fragestellungen begleitet, hätten sie unserem Land geholfen, dass aus dieser einmalige Chance eine gute Sache wird. Mehr Demokratie. Direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild. Warum denn nicht? Wann hat man das mal seitens der Medien über die AfD gehört? Die Gründung der AfD war eine Sternstunde in der politischen Landschaft Deutschlands. Daraus hätte etwas ganz Großes werden können. Ist das immer noch so? Vielleicht ja, aber die Chancen dafür sinken und sie sind zunehmend von äußeren Einflüssen abhängig. Einmal davon, wie sehr die etablierten Parteien auf einem Kurs bleiben, der der AfD einen breiten Raum lässt. Bei einigen Themen haben sie die AfD aber bereits kopiert. Und von der politischen Entwicklung im europäischen Ausland. Geht es dort für die Rechtsparteien weiter aufwärts, profitiert auch die AfD.

Die Medien haben die Zusammensetzung der Mitgliedschaft der AfD ab einem sehr frühen Punkt beeinflusst und tragen einen nicht unwesentlichen Teil der Verantwortung daran. Hätten sie die AfD nicht bereits Mitte 2013 in die rechte Ecke gestellt. Hätten sie nicht damals schon die Nazikeule geschwungen, dann hätten sich viel mehr Bürger aus der Mitte der Gesellschaft von der neuen Partei angezogen gefühlt, die damals zu allererst wirtschaftspolitische Themen bediente. Die Flüchtlingskrise war da noch in weiter Ferne. Die Medien hätten diese Partei „machen“ können. Ein Stück weit haben sie sie auch „gemacht“. Aber sie haben nicht das daraus gemacht, was sie daraus hätten machen können. Sondern sie haben die Partei dämonisiert und viele Bürger von einem Eintritt abgehalten, weil die Angst vor Diskriminierung hatten. Am Arbeitsplatz, im Freundes- und Bekanntenkreis sowie in der Familie. Ebenso haben sie andere dazu ermutigt, einzutreten, weil die sich von genau dem Bild angezogen fühlten, welches die Medien von der AfD gezeichnet hatten und welches die AfD inzwischen zum Teil selbst von sich zeichnet. Solche, die früher schon mit Parteien wie NPD, DVU, PRO Deutschland oder Republikanern sympathisiert hatten oder dort sogar Mitglied waren. Nationalisten, Reichsbürger und völkische Siedler. Solche, die PEGIDA und der identitären Bewegung nahe stehen, wobei ich das gar nicht als Ausschlusskriterium definieren will. Es ist jedenfalls ein Sammelsurium von Mitbürgern, die politisch nicht etwa da stehen, wo CDU und CSU noch vor 20 Jahren standen, sondern weit rechts davon. Ob nun rechtsextrem oder nicht, sei einmal dahingestellt. Ein Sammelsurium von Mitbürgern, die in der AfD erneut das schaffen wollen, was  andere rechtsgerichtete Parteien auch schon nicht geschafft haben.

Ist diese Entwicklung noch umkehrbar? Meiner Ansicht nach müsste das gehen. Die Mehrzahl der Mitglieder dürfte nach wie vor aus denjenigen bestehen, die früher nicht politisch aktiv waren und im Grunde genommen weder rechtsextrem sind noch in der Nähe des extrem rechten Spektrums der politischen Landschaft zu verorten sind. Diesen Mitgliedern geht es in erster Linie um den Erfolg der Partei, weil sie, völlig zurecht, nach wie vor keine andere Alternative sehen. Die Mehrheit will selbst nicht aktiv sein, sondern braucht Leitfiguren, die den Kurs vorgeben. Menschen, die etwas können, die repräsentieren können, reden können und denen man vertrauen kann. Sie wissen, dass eine Partei ohne solche Leute nicht funktioniert. Die Leitfiguren, die nun mal dazu gewählt sind, werden unterstützt. Ihre Narrenfreiheit ist groß. Jeder Fehler oder vermeintliche Fehler in der Außendarstellung wird ihnen verziehen, wenn auch manchmal erst nach einigem Gepolter. Die Mehrzahl der Mitglieder stellt sich in einer Wagenburgmentalität vor die Führungskräfte. Geht der Kurs, den die Führungskräfte vorgeben, nach rechts, marschiert eben die ganze Partei nach rechts. Das geht bis zu einem gewissen Grad auch andersherum.

Doch welchen Kurs geben die Führungskräfte vor? Nehmen wir einmal die Mitglieder des Bundesvorstandes. Ist da einer extrem rechts? Ich wüsste nicht wer. Unterstützt da jemand extrem rechtes Gedankengut oder zeigt zumindest hier und da ein undifferenziertes Verhältnis zu rechten Randerscheinungen? Björn Höcke gehört nicht dem Bundesvorstand an. Er ist Landesvorsitzender eines kleinen Landesverbandes. Wenn überhaupt jemand im Bundesvorstand weit rechts zu verorten ist, dann Gauland, Poggenburg, Hampel und Meuthen, weil sie alle vier Höcke unterstützen. Dabei sind Gauland und Poggenburg die einzigen Überzeugungstäter. Hampel und Meuthen sind nur Anhängsel, weil sie sich hier Unterstützung gegen Petry erhoffen. Beatrix von Storch ist vielleicht erzkonservativ, aber beileibe nicht rechtsextrem. Bleiben also von 13 Mitgliedern des Bundesvorstandes nur 2, maximal 4. Das ist nun wirklich die Minderheit und das macht Hoffnung. Wenn, ja wenn die Mitglieder diese Problematik erkennen und Björn Höcke nicht auch noch in diesem Jahr in den Bundesvorstand wählen. Weniger deshalb, weil Höcke nicht in der Lage wäre, vom geschichtspolitischen Reden zu lassen, wie er es angekündigt hat. Sondern mehr deshalb, damit die Kräfte in der Partei, die sich gerade von dem geschichtspolitischen Reden magisch angezogen fühlen, keinen weiteren Auftrieb in der Partei erfahren.

Ist die AfD denn derzeit, im Bundestagswahljahr, für bürgerliche Wähler überhaupt noch wählbar? Da muss man sich, gerade in Niedersachsen, in seiner Anspruchshaltung vielleicht einmal ganz weit in den Keller begeben und etwas länger nachdenken. Um dann mit einer ganz pragmatischen Antwort wieder heraufzukommen. Die da lautet: “Ja. Wenn diejenigen, die für die AfD  Niedersachsen nach Berlin gehen werden, auch nicht alle die persönliche Idealbesetzung sein mögen. Schlechter als die Kandidaten der etablierten Parteien sind sie vermutlich auch nicht. Es kann nur besser werden.“ Viele, die es 2013 zur AfD trieb, hatten das Problem, dass sie, wenn sie noch nicht dem Lager der Nichtwähler angehörten, lange Jahre nur noch das ihrer Meinung nach geringste Übel wählen konnten. Dann kam die AfD und mit dem geringsten Übel sollte es vorbei sein. Vielleicht war das auch ein Traum, der nie real war. Heute präsentiert sich die AfD, mit all ihren Schwächen, immer noch als einzige Alternative. Und ihre Entwicklung ist im Fluss. Die Grabenkämpfe zwischen Realos, Fundis und Idealisten sind längst nicht entschieden. Es bleibt spannend. Der Ball muss im Spiel bleiben.

Die AfD ist heute eine Partei, die nicht immer vernünftig ist. Die polarisiert. Die manchmal zu weit geht. Und die man nicht abschreiben sollte. Kein Politikwissenschaftler tut das inzwischen noch ernsthaft. Aber wenn es darum geht, eine große Volkspartei zu werden, die eigene Mehrheiten generieren kann, muss die AfD ihr bürgerliches Profil schärfen. Der erste Schritt in diese Richtung wäre der, dass die Mitglieder das erkennen und dafür sorgen, dass rechtsextreme Umtriebe glaubwürdig unterbleiben. Viele sind noch nicht so weit.

Es ist nicht notwendig, aus lauter Angst davor zu handeln, dass die AfD nicht in den Bundestag einziehen könnte. Das wird wohl passieren. Was das angeht, kann man wohl Ruhe bewahren. Selbst wenn sie sich noch weiter nach rechts bewegen sollte, was ich nicht hoffe, oder auch nur dahin geschrieben werden sollte, wird ihr der Weg der Republikaner oder vergleichbarer Parteien wohl erspart bleiben.

Es ist daher auch nicht notwendig, über jedes hingehaltene Stöckchen zu springen, päpstlicher als der Papst sein zu wollen und hinter jeder Äußerung von Funktionären oder jedem Spruch rechtsextreme Tendenzen zu vermuten. Die AfD war nie eine liberale Partei. Auch keine wirtschaftsliberale und keine libertäre. Sie hatte aber immer Elemente davon, wie sie auch immer schon patriotische, nationalliberale und nationalkonservative Elemente hatte.  Die AfD war immer eine bunte Mischung. Gerade das ist heute ihr Problem. Dieses Problem muss gelöst werden. Indem man sich auf das beschränkt, was in der Partei Konsens ist. Der Konsens enthält am Ende immer noch so viele zustimmungsfähige Punkte, dass diese in keiner anderen Partei zu finden sind.

Die AfD muss eine Frage für sich beantworten. Wie denn ihr Erfolg in Zukunft ausfallen soll. Wie bzw. als was sie sich etablieren wird. Darf es etwas mehr sein oder ist man mit etwas weniger auch zufrieden? Soll sie eine dauerhaft kleine Partei in der Größenordnung von FDP, Grünen oder Linken werden? Eine Partei, die niemals allein regierungsfähig und auch in einer Koalition (in ferner Zukunft) immer nur ein kleiner Partner sein wird, der allenfalls einen Teil seiner Vorstellungen durchsetzen kann? Oder eine Partei, die eines Tages stärkste Partei in Deutschland wird, stärker als SPD und CDU? Das geht nur, wenn sie einen erheblichen Teil der Wähler dieser Parteien dazu bringt, AfD zu wählen. Mit Geschichtsrevisionismus tut sie das nicht. Mit Aussagen zu brennenden aktuellen Fragen, wie Zuwanderung und innerer Sicherheit, um nur zwei zu nennen, tut sie das schon.

Die Frage, ob die AfD in allen Punkten eine gute Wahl ist und ob man nicht hier und da ein paar Personen mit wählt, die man für Fehlbesetzungen hält, stellt sich eigentlich gar nicht. Seit 2013 hat sich an den Problemen, die zur Gründung der AfD geführt haben, nichts geändert. Die etablierten Parteien haben kein einziges Problem, das uns damals bewegte, etwa die Eurokrise, gelöst. Im Gegenteil, es sind etliche Probleme hinzugekommen, wovon die Migrationskrise und die damit einhergehende Gefahrenlage im ganzen Land sicher die gravierendsten Probleme sind. Die etablierten Parteien sind nach wie vor nicht willens und in der Lage, diese Probleme anzugehen. Zum Teil sind sie nicht einmal bereit, sie zu erkennen. Die AfD ist daher nach wie vor die einzige Wahl, die man hat, wenn man nicht vollständig aufgeben will. Die Alternative wäre die bittere Erkenntnis, dass die AfD es vergeigt hat und sie im Grunde nie eine Chance hatte, weil es schon 2013 viel zu spät war. Es wäre der Wechsel in das Lager der Nichtwähler. Ich bin noch nicht so weit.

Die SPIEGEL-Redakteurin Melanie Amann hat ein Buch über die AfD geschrieben und vor kurzem veröffentlicht. Ihre persönliche Einstellung zur AfD kann die Autorin nicht verbergen und will sie wahrscheinlich auch nicht. Dennoch enthält das Buch, neben teils schon bösartigen Behauptungen und Seitenhieben, auch viel Wahrheit. Melanie Amann schrieb darin, in der AfD gebe es Ideologen, Karrieristen und Idealisten. Ich zähle mich zu den Idealisten. Möglicherweise die Gruppe, die im Haifischbecken Politik als erstes auf der Strecke bleibt. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt.