Die Mitglieder der AfD sind derzeit aufgefordert, verschiedene Mitgliederentscheide zur politischen Grundausrichtung der Partei zu unterstützen. Dazu ist bereits viel gesagt und geschrieben worden. Die Zuschriften der AfD-Mitglieder zeigen aber, dass es noch Informationsbedarf gibt. Ich möchte den Versuch machen, die Fakten zusammenzufassen und einige Fragen zu beantworten.
Derzeit sind zwei Mitgliederentscheide bekannt. Nach der aktuellen Parteisatzung müssen 3% der Mitglieder der Durchführung eines Mitgliederentscheides zustimmen. Das sind etwas mehr als 600 Stimmen.
Zum einen gibt es den Mitgliederentscheid von Ronald Geiger aus Stuttgart, für den auch der Bundesvorsitzende der AfD, Prof. Bernd Lucke, in einem Mitgliederrundschreiben geworben hatte (http://www.mitgliederentscheid-afd.de/). Dieser Mitgliederentscheid hat das nötige Quorum für seine Durchführung erreicht und befindet sich in der Vorbereitung.
Zum anderen gibt es den Mitgliederentscheid von Prof. Lothar Maier und Karl-Friedrich Hotz, ebenfalls aus Stuttgart (https://politischegrundpositionenafd2.wordpress.com/). Dieser Mitgliederentscheid ist eine Reaktion auf den Vorschlag von Geiger. Er ist daher jünger und hat das Quorum noch nicht ganz erreicht. Ich persönlich halte diesen Mitgliederentscheid inhaltlich für ausgewogener.
Beide Mitgliederentscheide eint etwas, das durchaus als Problem gesehen werden kann. Sie verlangen von den Mitgliedern die Abstimmung über zahlreiche Thesen, die weit über eine Einzelentscheidung hinausgehen und nur in der Gesamtheit mit Ja oder Nein beantwortet werden können. Beide bedeuten eine Richtungsentscheidung für die AfD. Aus diesem Grunde gibt es Bedenken über die rechtliche Zulässigkeit dieser Art von Mitgliederentscheid. Die in Bremen beschlossene Satzung der AfD besagt nämlich, dass Mitgliederentscheide nach §9 Abs. 3 des Parteiengesetzes sich nicht auf Programmentscheidungen beziehen dürfen. Diese sind auf einem Bundesparteitag von den Mitgliedern zu treffen. Ein solcher Parteitag ist für das Jahresende geplant. Um hier die Zulässigkeit zu klären, wurde zum Mitgliederentscheid Geiger ein Gutachten bei dem bekannten Parteienrechtler Prof. Ipsen in Auftrag gegeben, das Sie hier einsehen können. Dieser kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass dieser Mitgliederentscheid zulässig sei. Es gibt dazu auch andere juristische Meinungen.
Der Mitgliederentscheid Geiger wurde auf dem Treffen der niedersächsischen Kreisvorstände mit dem Landesvorstand am 26.04.15 in Achim diskutiert. Sie finden hier eine kritische Betrachtung der einzelnen Thesen, die auch Gegenstand der Diskussion war. Die große Mehrheit der versammelten Kreisvorstände und des Landesvorstandes haben sich entschieden, ihren Mitgliedern zu empfehlen, an diesem Mitgliederentscheid teilzunehmen und mit Nein zu stimmen. Nicht wegen der Inhalte, denen einige, mindestens teilweise, durchaus zustimmen konnten. Sondern aus Sorge um eine Festlegung auf Positionen, die nicht alle Mitglieder vollumfänglich teilen und die kraft dieses Mitgliederentscheides zum Dogma in der Partei würden. Das Gutachten von Prof. Ipsen sagt hierzu das Folgende:
„Gerade dies aber ist mit dem Richtungsmitgliederentscheid beabsichtigt: Er dient nicht nur der Feststellung geltenden Verfassungsrechts und einzelner – bereits früher beschlossener – politischer Ziele der Partei. Die erneute Bekräftigung der Grundsätze bedeutet – sofern sie im Verfahren des Mitgliederentscheids beschlossen wird – eine bindende Weisung an alle Amtsträger, sich diesen Grundsätzen widersprechender Äußerungen zu enthalten bzw. ein Verbot, ihnen zuwiderlaufende Ziele in Parteigremien zu verfolgen. Die insofern beabsichtigte Klärung – und damit Selbstvergewisserung – der der politischen Arbeit der AfD zugrunde liegenden Wertvorstellungen hat schon deshalb Entscheidungscharakter, weil diese im Falle eines erfolgreichen Mitgliederentscheids nicht mehr in Frage gestellt werden können.“
Inzwischen haben weitere Landesverbände (Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Thüringen) ihre Mitglieder ebenfalls aufgerufen, an dem Mitgliederentscheid Geiger teilzunehmen und mit Nein zu stimmen.
Zum Mitgliederentscheid erreichten den Landesvorstand einige Zuschriften von Mitgliedern. Manche meinten, zwar dürfe der Bundesvorsitzende in einer solchen Frage eine Empfehlung aussprechen, nicht aber der Landesvorstand oder die Kreisvorstände. Daraus ging auch hervor, dass das Procedere noch nicht allen Mitgliedern klar ist. Einige Mitglieder waren der Meinung, sie hätten ihre Entscheidung bereits getroffen, indem sie auf einer der o.g. Webseiten für einen Mitgliederentscheid gestimmt hätten. Darum hier noch einmal ein Hinweis hierzu. Die Zustimmung auf der Webseite eines der Mitgliederentscheide bewirkt nur, dass dieser bei Erreichen des Quorums von 3% zur Durchführung ansteht. Wenn der Mitgliederentscheid tatsächlich durchgeführt wird, erhalten alle Mitglieder eine E-Mail mit mehreren PDF-Dokumenten zum Ausdrucken, die in eigene Umschläge gesteckt und in die Post gegeben werden müssen. Wer keine E-Mail-Adresse angegeben hat, bekommt die Unterlagen per Post. Trotz des Aufwandes kann man nur jedem Mitglied dazu raten, an einem Mitgliederentscheid teilzunehmen. Denn das Ergebnis des Entscheids betrifft immer auch diejenigen, die nicht mitgestimmt haben.
Nach aktuellen Informationen soll die Durchführung des Mitgliederentscheides Geiger, nach Bekanntwerden der Bedenken aus mehreren Landesverbänden, zurückgestellt worden sein. Es ist nun von der Vorbereitung eines Kompromiss-Mitgliederentscheides die Rede.
Jens Wilharm
(Stellvertretender Landesvorsitzender)