EU: Angriff auf die Souveränität der europäischen Nationalstaaten

Von Dr. Jens Wilharm

Lange schon hat man es geahnt. Überlegungen dazu sind nicht neu. Doch nun fordert EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hochoffiziell die Schaffung einer europäischen Armee. Und zwar mit der ausdrücklichen Begründung, es Russland zeigen zu wollen. Was treibt diesen Mann? Was will er wirklich? Welche Konsequenzen hätte eine europäische Armee für den Frieden in Europa, für die Beteiligung europäischer Soldaten an weltweiten Konflikten und für die Souveränität der europäischen Nationalstaaten?

Darüber zu spekulieren, was Juncker will, würde Seiten füllen. Eines hat er mit Sicherheit nicht im Sinne. Die Interessen des Bürgers zu vertreten. Wer kennt nicht seine schon fast legendären Sätze wie „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“ oder „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“

Wie würde Russland auf die Schaffung einer europäischen Armee reagieren, wenn diese auch noch unverblümt als Gegengewicht zu Russland geschaffen werden soll? Dazu muss man kein Prophet sein. Ein kalter Krieg über lange Zeit wäre noch die harmloseste Folge. Mit entsprechenden Konsequenzen für die Wirtschaft der europäischen Länder und Russlands. Das sichere Ende der vernünftigen Idee, den Frieden in Europa zu sichern, was nur mit Russland geht. Das Ende der vernünftigen Idee, einen gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraum mit Russland zu bauen. Wer würde eine solche naheliegende und vernünftige Entwicklung auf keinen Fall wollen? Hier kommen wir der Intention Junckers vielleicht ein Stück weit näher.

Was könnte man mit einer europäischen Armee alles machen. Man könnte sich noch stärker und effektiver an internationalen Konflikten beteiligen, an denen in der Regel immer auch die USA beteiligt sein dürften. Man könnte diese damit entlasten und in ihrem Sinne handeln. Vor allem natürlich auch finanziell, denn Kriege sind teuer. Welch ein Segen, wenn man hier die europäischen, vornehmlich die deutschen Steuerzahler noch mehr in die Pflicht nehmen könnte. Man könnte die Armee im Inneren verwenden, um die Idee vom europäischen Superstaat auch mit militärischer Stärke zu erzwingen. Natürlich langsam und unmerklich, ganz im Junckerschen Sinne. Erst wenn den Bürgern des einen oder anderen europäischen Staates viel zu spät bewusst wird, dass sie nicht mehr Herr im eigenen Lande sind und dagegen aufbegehren, könnte eine solche Armee umgehend für Ruhe sorgen. Sie wäre ein gewaltiges Machtmittel in den Händen der falschen Leute.

Letztlich bedeutet eine gemeinsame europäische Armee, die ja viel mehr wäre als ein reines Verteidigungsbündnis, die Aufgabe eines wichtigen Grundpfeilers eines jeden souveränen Staates. Zu einem souveränen Staat gehört eine eigene Armee. Ob ein Staat, auf dessen Boden Soldaten anderer Staaten für Sicherheit sorgen, sei es die äußere oder die innere Sicherheit oder Beides, noch ein uneingeschränkt souveräner Staat ist, mag sich jeder selbst beantworten. Mit der Schaffung einer europäischen Armee geben wir und auch die anderen europäischen Nationalstaaten einen weiteren Baustein der Souveränität ab. Mit der Währung haben wir es längst getan. Wir müssen uns nun fragen, ob wir uns dieser scheinbar unaufhaltsamen Entwicklung fügen wollen oder ob wir nicht einen Schritt zurück machen sollten. Dabei mag auch der EURO eine Rolle spielen. (jw)

Lesen Sie dazu in der WELT den Beitrag „Kommissionschef Juncker fordert eine EU-Armee.